Hochbahn-Vorständin MERLE SCHMIDT-BRUNN liebt frische und gesunde Küche. Wie gut, dass Chefkoch NILS-KIM PORRU ein ganzes Aromen-Festival dabeihat – dazu noch einen Grill, der am Heck eines Alsterdampfers für Aufsehen sorgt.

Schwimmende Pontons mit Bohrgeräten auf der Binnenalster? Nicht unbedingt die malerischste Kulisse für die kleine Touristengruppe, die den schmucken rot-weißen Dampfer „Goldbek“ vor Fontänenspektakel und Sommerhimmel ablichten will. Merle Schmidt-Brunn aber lächelt nach kurzem Blick auf das schwere Gerät: „Ich freue mich, wenn ich die Baustelle sehe, denn sie bedeutet, dass sich etwas tut in der Stadt.“ Was sich da tut sind Erkundungsbohrungen für die unterirdische Jungfernstieg-Haltestelle der U5, deren letzter Abschnitt 2040 fertiggestellt sein soll. Und dass deren Anblick die 39-Jährige positiv stimmt, hat mit ihrem Job zu tun: Seit dem 1. April 2023 gehört Merle Schmidt-Brunn zum Vorstand der Hamburger Hochbahn AG.

Die Laune der gebürtigen Hamburgerin wird noch besser, als sie die im Inneren des Alsterdampfers improvisierte Küche von Nils-Kim Porru, Küchenchef des Business Club, sieht. Neben allerlei frischem Gemüse liegt ein Rib-Eye-Steak bereit. Der Grill? Wartet am Heck des ehemaligen Linienschiffes. Heute soll der 1951 in Dienst gestellte Dampfer an der Krugkoppelbrücke Halt machen.

Man merkt Merle Schmidt-Brunn an, wie sehr sie die Fahrt über die Alster genießt. Tatsächlich spiele gerade diese enge Verbundenheit zur eigenen Stadt eine große Rolle in ihrem Berufsleben. „Als ich die Möglichkeit hatte, vonHapag Lloyd zur Hochbahn zu wechseln, habe ich unterschätzt, wie schön es ist, als Hamburgerin das Stadtbild mitprägen zu dürfen“, sagt sie. Es gehe nicht einfach darum, Geld zu verdienen, sondern einen Mehrwert zu liefern, indem man den Hamburgern einen guten öffentlichen Verkehr biete. „Ich genieße es außerdem, zur Stadtwirtschaft zu gehören. Flughafen, Messe, HPA, Behörden, Energiewerke – wir stehen regelmäßig im Austausch.“ In ihrer Position ist Schmidt- Brunn nicht nur für die Themen Finanzen und Nachhaltigkeit zuständig, sondern auch für Immobilien, Recht, Einkauf und IT. Hinzu kommen diverse Aufsichtsratsposten.

Ob man da überhaupt noch selbst zum Kochen komme? „Mein Mann und ich sind schon immer gern gut essen gegangen. Meine Liebe zum Kochen habe ich, wie viele andere Menschen auch, in der Corona-Zeit entdeckt“, erzählt Merle Schmidt-Brunn. In jener Zeit habe sie auch ausprobieren können, was ihrem Körper guttue und was nicht. Mittlerweile verzichte sie auf gluten- und laktosehaltige Produkte sowie raffinierten Zucker. Kein Problem für Nils-Kim Porru, der für diesen Bootsausflug einen facettenreichen Salat als Begleitung für das Fleisch ersonnen hat. „Ich war gerade in Thailand und Doha und habe mich dort inspirieren lassen“, sagt er. „Neben Avocado, blanchierten Erbsen und grünen Tigertomaten gibt es auch noch einen arabischen Petersiliensalat sowie wilden Brokkoli und grünen Thaispargel.“ Aufmerksam geht Merle Schmidt-Brunn dem Experten zur Hand, stellt gezielt Fragen und scheint sich gedanklich alle Schritte zu notieren.

Die Fähigkeit zum analytischen Denken hat den Weg der Hamburgerin schon früh geprägt. Als Erstklässlerin gab man ihr Matheaufgaben der dritten Klasse, und nach dem Abitur studierte sie Wirtschaftsmathematik in Braunschweig, Spanien und Kanada. „Damals habe ich gelernt, sehr komplexe Probleme in Teilstücke aufzuteilen, um sie zu lösen“, erzählt sie. Eine Vorgehensweise, die ihr auch heute noch helfe. Genauso wie die Fähigkeit, ganzheitlich zu denken: „Ich bin zum Beispiel sehr froh, dass die Hochbahn die Felder Finanzen und Nachhaltigkeit nicht als Gegensatz sieht, sondern kombiniert.“ Die Investition in Nachhaltigkeit koste nun einmal Geld, und sie könne den vermeintlichen Konflikt mit sich selbst ausmachen, indem sie nicht nur die Ergebnislage, sondern auch Komponenten wie den CO2-Ausstoß im Blick habe. Dass sie zudem noch Aufsichtsratsvorsitzende diverser Tochtergesellschaften wie der Hadag und der Pensionskasse ist, sei eine „positive Überraschung“ gewesen. Sie selbst habe vorher nicht gewusst, dass zur Hochbahn auch mehr als 2000 Wohnungen für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gehören. „Das“, sagt sie, „macht uns als Arbeitgeberin attraktiv.“ Erst vor kurzem seien rund drei Dutzend neue Wohnungen hinzugekommen: „Diesen Weg werden wir fortsetzen, immerhin gehören zum Konzern rund 8000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.“

Merle Schmidt-Brunn ist übrigens auch Teil des Aufsichtsrats der Alster-Touristik GmbH. Die heutige „Dienstfahrt“ erreicht das Etappenziel Krugkoppelbrücke gemächlich, aber planmäßig. Unter dem Gejubel von Kindern eines Optimisten-Schleppverbandes legt Nils-Kim Porru das Rib-Eye-Steak auf den Grill, nachdem er Merle Schmidt-Brunn den sogenannten „Finger-“ oder „Handballentest“ erklärt hat, der beim Einhalten der Garstufen helfen soll. Vielleicht noch entscheidender für das Gelingen des Gerichtes ist an diesem Tag jedoch nicht, ob „medium rare“ oder „medium“, sondern die Wahl des Dressings. Gleich drei verschiedene will der Küchenchef einsetzen. „Der wilde Brokkoli wird kurz geröstet mit Sesamöl, Knoblauch, Salz, Pfeffer und ein wenig Muskat“, erklärt er. „Der Thaispargel mit Olivenöl, Knoblauch, Salz und Pfeffer.“ Abgekühlt und immer noch knackig kommt beides zur Avocado, bevor Porrus „geheimes“ Thai-Dressing für Gaumenkitzel sorgt: „Ich verrate nur so viel, dass darin Limettensaft, Knoblauch, Palmzucker, rote und grüne Chili sowie Koriander sind.“ Letzte Zutat ist eigentlich kein Favorit des heutigen Gastes, aber Nils-Kim Porru verspricht, dass selbst diejenigen, die die Gewürzpflanze ablehnen, diese nicht unangenehm herausschmecken werden: „Koriander unterstützt einfach die frische Note des Dressings.“

Merle Schmidt-Brunn soll nicht enttäuscht werden. Sich auf Neues einzulassen, bereitet der Vorständin nicht nur kulinarisch keinerlei Probleme. Sie hat im Studium die Länder gewechselt genauso wie später in ihrer beruflichen Karriere. Und dass die Breite ihres aktuellen Aufgabenfeldes sie nicht abgeschreckt hat, liegt sicher auch daran, dass sie neugierig auf Menschen ist und sich als Team-Playerin versteht. Das gilt für den vierköpfigen Vorstand ebenso wie für den Austausch mit Mitarbeitern. „Ohne gute und fröhliche Kolleginnen und Kollegen läuft nichts“, sagt Merle Schmidt-Brunn und man erkennt, dass dies kein Lippenbekenntnis ist. Zu augenfällig ist das positive Naturell der Managerin, für das sie auch die eigene Mutter – eine „rheinische Frohnatur“ – verantwortlich macht. Man nimmt ihr ab, dass Frauenförderung eine Herzensangelegenheit ist. „Egal ob bei Roland Berger oder Hapag Lloyd, ich habe immer in Unternehmen gearbeitet, in denen prozentual deutlich weniger Frauen vertreten waren, je weiter man nach oben kam“, sagt sie. Ohne Vorwurf in der Stimme stellt sie fest: „Im Berufsleben ist es immer noch so, dass man sich als Frau mehr behaupten und mehr leisten muss, um dieselbe Position zu bekommen.“ Und weil sie davon überzeugt sei, dass Diversität in jeglicher Hinsicht ein Vorteil sei, setze sie sich für Chancengleichheit ein. Dabei kann es um Teilzeitangebote gehen genauso wie um Tandem-Modelle für Frauen in Führungspositionen.

Am Anleger Krugkoppelbrücke ist nun ebenfalls ein Duo gefragt. Während Nils-Kim Porru den Petersiliensalat mit Limettenöl mit einem Hauch Knoblauch verfeinert, übergießt Merle Schmidt-Brunn die Tomaten mit einer Vinaigrette aus Haselnussöl, Essig, Senf, Salz und Pfeffer. Und weil der Koch ein Meister im Kombinieren spannender Aromen ist, addiert er nach Anrichten des Salats in tiefen Schüsseln auch noch Chimichurri – die beliebte argentinische Kräutersalsa. Merle Schmidt-Brunn erschnuppert in einer Schale gerösteten Sesam mit Curry. Bei einem anderen Topping muss der Profi Aufklärung liefern: „Ich habe Reis mit Kaffirlimettenblättern, Zitronengras und getrockneten Chili geröstet, bis er ganz trocken war. Danach kann man ihn fein mixen oder mörsern, um ihn als Puder auf den Salat zu geben.“

Als die Hochbahn-Vorständin erwähnt, dass sie in ihrer Freizeit so gern backt, dass ihr Plan B für die Rente sei, eines Tages ein Café zu eröffnen, entspinnt sich ein Gespräch über Zuckeralternativen – über Honig und Bananen, Dattel- und Kokosblütenzucker. „Ich fühle mich fitter, seit ich auf eine gesunde Ernährung achte“, sagt sie. Ihr bevorzugtes Verkehrsmittel auf dem Weg zur Arbeit im Hochbahnhaus an der Steinstraße sei auch das Rad – entlang der Alsterwiesen, an denen der „Goldbek“-Kapitän nun langsam „längsschippert“, während das gemeinsame kulinarische Projekt genossen wird. Ob es sie privat eigentlich störe, dass jeder meint, beim Thema „Öffis“ mitreden zu können. „Bei meinem Job ist es ein wenig wie beim Bundestrainer: Jeder hat eine Meinung zum Thema Verkehr“, sagt sie. „Aber es nervt mich nicht, denn zum Glück sind U-Bahnen und Busse in Hamburg gut anerkannt.“ In den vergangenen Jahren habe man massiv in die Mobilitätswende investiert, allerdings werde der Haushalt nicht nur auf Bundes-, sondern auch auf Länderebene knapper. Das merke auch die Hochbahn, die ja der Stadt Hamburg gehört. Teil der Kosten-Nutzen-Rechnung sei auch die Beobachtung der Fahrgastströme, die sich nach Corona durch Home-Office-Regelungen deutlich verschoben hätten. „Der Dienstag ist der neue Montag und auch die Zeiten mit der stärksten Frequenz haben sich verändert“, sagt sie. Da es weniger Pendler über längere Strecken gebe, nutzten viele Menschen nun eher den Bus als die U-Bahn: „Es wird noch paar Monate oder sogar Jahre dauern, um zu schauen, wo das neue Normal liegt.“

Ohne langfristige Planung gehe es aber nicht. „Die Hochbahn ist 113 Jahre alt. Schon unsere Vorväter haben für Generationen gedacht“, sagt Merle Schmidt-Brunn. Im kommenden Jahr wird wie 2027 auch der internationale Verkehrskongress „UITP“ in Hamburg stattfinden. „Dann werden wir der ganzen Welt unser gutes öffentliches Verkehrssystem und den Weg, den wir noch gehen wollen, vorstellen.“ Dazu gehöre auch das Projekt „ALIKE“ – autonom fahrende Mini-Shuttles, die dann unterwegs sein sollen. Und natürlich die U5, deren Vorboten nach Durchquerung der Lombardsbrücke gerade wieder sichtbar werden. Wenig später geht Merle Schmidt-Brunn von Bord. Nicht, ohne einen wohlwollenden Blick in Richtung Baustelle zu werfen.

Text: Alexandra Maschewski Fotos: Martina van Kann