Er ist Anwalt für Strafrechtssachen und einer der prominentesten seiner Zunft. Dr. Gerhard Strate hat in seinen 40 Berufsjahren schon immer am liebsten aussichtslose Fälle übernommen – und dabei einige spektakuläre Urteile erstritten.

Sein erster Fall war in eigener Sache. Als politisch engagierter Student, der beim Kommunistischen Studentenverband (KSV) aktiv war, wurde Gerhard Strate 1973 bei einer Demonstration gegen Fahrpreiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr festgenommen. Der Grund: Widerstand gegen die Staatsgewalt und versuchte Gefangenenbefreiung. „Beides mache ich heute immer noch“, sagt der Anwalt mit süffisantem Lächeln. Es wurde ein Verfahren gegen ihn eröffnet und anstatt einen Anwalt zu engagieren, nahm der Jurastudent seine Verteidigung selbst in die Hand. „Ich sagte mir: ‚Nur wenn ich es selber mache, kann ich sicher sein, dass es sorgfältig ist‘.“ Strate wurde verurteilt, doch er ging in Revision – und gewann, „weil das Gericht falsch besetzt war“. Anschließend verschwand seine Akte für einige Jahre im Büro des Richters, und schließlich einigte man sich auf die Einstellung des Verfahrens.
Eigentlich wollte Gerhard Strate Soziologie studieren. „Das war modern damals“, sagt er. Seiner Mutter zuliebe schrieb er sich aber an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg ein. Von Beginn an verbrachte er mehr Zeit beim AStA (Allgemeiner Studentenausschuss) und in Diskussionsrunden mit Kommilitonen als Vorlesungen zu besuchen: „Vor dem Staatsexamen habe ich monatelang Karteikarten auswendig gelernt. Darin war ich gut.“ Außerdem konnte Strate aufgrund seines aktiven Mitwirkens im Studentenausschuss sehr gut reden. Er sagt: „Ich hatte schon ein gewisses Auftreten, das nicht unbedingt von gutbürgerlicher Schüchternheit geprägt war. Es war eher ein bisschen frech.“ Diese Fähigkeiten kamen Strate bei der Prüfung entgegen – er erhielt einen Extrapunkt im Mündlichen und schloss sie mit einem Prädikatsexamen ab.
Nach dem Referendariat und einer umfangreichen Projektarbeit beim Max-Planck-Institut entschied er sich, als Rechtsanwalt zu arbeiten. „Ich richtete mir ein kleines Büro im 4. Stock in der Dillstraße ein und musste sehen, wie ich an Mandaten komme“, sagt er. Die Idee war so genial wie simpel: Der junge Anwalt schickte ein Rundschreiben an die Vorsitzenden der Großen Strafkammern. Dort, wo Wirtschaftsprozesse geführt und Kapitalverbrechen verhandelt werden. Die Akquise-Aktion klappte, Strate erhielt seine ersten Aufträge. Gleich im ersten Fall konnte er seinem Mandanten den Aufenthalt im Gericht ersparen. Das war der Startschuss für seine erfolgreiche Karriere.
In seinen fast 40 Berufsjahren hat der 71-Jährige unzählige brisante und auch spektakuläre Streitfälle übernommen. „Ich hatte schon früh interessante Fälle.“ So verteidigte er zum Beispiel Marianne Bachmeier, die den mutmaßlichen Mörder ihrer Tochter Anna im Gerichtssaal erschoss. Oder Monika Weimar, die ihre Kinder getötet haben soll. Im Fall Gustl Mollath, der zu Unrecht in die Psychiatrie eingewiesen worden war, erwirkte Strate dessen Entlassung. 1993 sorgte er dafür, dass die Bürgerschaftswahl in Hamburg gekippt wurde. Einmalig in Deutschland.
Was ihn an scheinbar aussichtslosen Fällen reizt? „Ich habe am liebsten Mandanten, die in der Öffentlichkeit vorverurteilt sind“, sagt der Jurist. Wiederaufnahmeverfahren findet er am spannendsten. „Das ist die eigentliche Königsdisziplin“, sagt der streitbare Straf- und Verfassungsrechtler. Zum einen, weil man neue Beweise liefern muss, die geeignet sind, das alte Urteil auszuhebeln. Zum anderen, „weil die Justiz sich dadurch angegriffen fühlt und sie mit allen Mitteln versucht, Wiederaufnahmen mit verrückten Ideen und Ausreden abzuwehren“. Kurzzeitig war Gerhard Strate als Hamburger Justizsenator im Gespräch. Doch das war keine Option für ihn.
Wenn Rechtsanwalt Strate keine Gerichtsakten studiert, hört er klassische Musik – gern auch nach der Arbeit im Büro. Im sechsten Stock der Kanzlei, die er seit 36 Jahren mit Partner Klaus-Ulrich Ventzke führt, veranstaltet der Arthur-Rubinstein-Fan neuerdings Klavierkonzerte, die als Video-Clips über die Website www.strate.net/konzerte anzusehen sind. Strate hat dafür einen Steinway-Flügel mit einem tonnenschweren Kran ins Dachgeschoss hieven lassen. Sein größter Wunsch: „Irgendwann sollen Gäste live dabei sein.“
Auf die Idee kam der Klassikliebhaber, als er im vergangenen Sommer ein Konzert der jungen koreanischen Pianistin Seungyeon Lee im Oberhafen-Quartier miterlebte. „Sie wohnt in Hamburg, kann aber coronabedingt nicht auftreten. Ich möchte der jungen Künstlerin die Möglichkeit bieten, jederzeit üben zu können und für ein Publikum zu spielen“, erklärt Gerhard Strate.

 

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Strate und Ventzke
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Text: Achim Schneider Foto: Martina van Kann