Wenn sich zwei Führungskräfte eine Stelle teilen, kann das für das Unternehmen und für die Mitarbeiter von Vorteil sein. LEADERSHIP SHARE bietet Mitarbeitern eine hohe Flexibilität und Unternehmen ein extrem engagiertes Tandem.

Wer seinen Traumpartner finden will, der muss erst einmal Fragen beantworten: Welche Gedanken gehen Ihnen nach einem glücklichen Arbeitstag durch den Kopf? Wie reagieren Sie, wenn Ihnen der Vorgesetzte am ersten Arbeitstag das „Du“ anbietet? Wann sind Sie meist am produktivsten: morgens, mittags, abends oder nachts? Wer hier ehrlich antwortet, der hat große Chancen – nicht etwa auf die große Liebe, sondern auf seinen Traumkollegen. Das Berliner Start-up Tandemploy hat sich darauf spezialisiert, Menschen zusammenzubringen, die sich eine Vollzeitstelle teilen wollen. Jobsharing nennt sich dieses Konzept. Ähnlich wie bei den Partnervermittlern im Netz müssen Interessenten bei Tandemploy einen Fragebogen ausfüllen, mit Hilfe eines Algorithmus soll dann der perfekte Partner gefunden werden. Der Bedarf nach solchen Kuppeleien wächst, Unternehmen wie Metro, Innogy, Novartis und HanseWerk gehören zu den Kunden von Tandemploy.
Ursprünglich kommt die Jobsharing-Bewegung aus den USA, wo das Thema sogar schon seit den 70ern, unter der Carter-Regierung, forciert wurde. Benachteiligten in der Gesellschaft wie Frauen und Dunkelhäutigen sollte so der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert werden. Auch in Führungspositionen wurde das Modell damals bereits erfolgreich erprobt, heißt es in dem Buch „Jobsharing“ von Renate Gorges. In den 80er Jahren wurde Jobsharing dann auch in Deutschland bekannt, zunächst als mögliches Instrument, um die Arbeitslosigkeit zu verringern. Zwar wurde Jobsharing schon damals im Teilzeit- und Befristungsgesetz verankert – tatsächlich aber ist das Modell erst in den vergangenen Jahren wieder verstärkt auf der Agenda. Grund dafür: Der immer größere Wunsch nach flexiblen Arbeitszeitmodellen – sei es, um Familie und Karriere besser unter einen Hut bekommen zu können. Oder um mehr Zeit für andere Projekte zu haben.
Doch in der Praxis ist Jobsharing noch eher eine Ausnahme – gerade, wenn es um Leadership Share, also um die Führungsebene geht. Zwar bieten bereits 89,3 Prozent aller Firmen Teilzeitarbeit an, wie der Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit 2016 des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend belegt. Allerdings besetzt nur jedes zehnte privatwirtschaftliche Unternehmen Chefpositionen mit Teilzeitkräften, heißt es in einer Erhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) aus dem vergangenen Jahr. Dabei seien es vor allem größere Betriebe, die Teilzeitführung ermöglichen: Von allen Großbetrieben mit 500 und mehr Beschäftigten geben 37 Prozent an, Führungspositionen könnten auch mit reduzierter Stundenzahl ausgeübt werden. In Kleinstbetrieben mit ein bis neun Beschäftigten würde dies hingegen nur für 14 Prozent gelten. Eine mögliche Erklärung hierfür sei, dass Führungsverantwortung in kleinen Betrieben weniger leicht auf mehrere Schultern verteilt werden kann. Darüber hinaus hätten größere Unternehmen in der Regel eine Personalabteilung, die entsprechende Teilzeitkonzepte für Führungskräfte eher entwickeln und umsetzen könne. Auffallend ist, dass Führen in Teilzeit (noch) ein überwiegend weibliches Phänomen ist: Drei Viertel aller Vorgesetzten, die ihre Führungsposition in Teilzeit ausüben, sind Frauen, so die IABStudie.

 

wissent1„Wenn eine die andere übertrumpfen will, kann man das Projekt vergessen. “

Sybille Hartmann
Finance Director
Unilever

 

Sybille Hartmann gehört dabei zu den Pionierinnen in Deutschland. 1989 begann die Managerin ihre Karriere bei Unilever, 2004 startete sie zusammen mit ihrer Kollegin Elisabeth Stute mit dem Modell „Shared Leadership“, um Privatund Berufsleben besser miteinander vereinbaren zu können. Zuletzt teilten sich die beiden die Position als Finance Director Brand Building für das Unilever Markengeschäft in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH). Ein Job, zwei Frauen, vier Kinder – viele deutsche Kollegen waren zunächst skeptisch, als sie vor 13 Jahren das Leadership-Modell vorschlugen, um damals die Controlling-Abteilung gemeinsam zu leiten.
Der niederländische Chef war dagegen sofort begeistert. Doch auch diejenigen, die zweifelten, waren rasch überzeugt, denn schnell lernte das Duo, worauf es ankommt: ein starker Teamgedanke, sowohl organisatorisch als auch inhaltlich. „Wenn die eine die andere übertrumpfen wollen würde, könnte man das Projekt gleich vergessen“, erklärt Hartmann, die von Mittwoch bis Freitag im Büro war, Elisabeth Stute von Montag bis Mittwoch. Dieser gemeinsame Tag zur Wochenmitte im Büro war unerlässlich, um gemeinsame Absprachen zu treffen und sich auszutauschen. So konnte garantiert werden, dass ein Kollege am Montag etwas mit Stute besprach und dies dann am Donnerstag mit Hartmann weiterdiskutieren konnte, bei komplexen und wichtigen Themen telefonierten die beiden auch am Wochenende. Nicht nur die Managerinnen, sondern auch das Unternehmen profitiere enorm vom Jobsharing, betont Hartmann: „Wenn eine krank ist, dann ist immer noch eine zweite da, die voll im Thema drin ist.“ Hinzu kommt doppeltes Wissen auf einer Position. In ihrer zwölfjährigen Jobsharing-Zeit hatten die beiden vier verschiedene Positionen inne und wurden sogar einmal befördert. Als Höhepunkt teilten sie sich den Vorstandsposten im Bereich Pensionskasse. „Ich hätte sicher auch ohne Jobsharing in Vollzeit diese Karriere machen können, aber dann hätte ich sicher deutlich weniger Zeit mit den Kindern verbracht“, gibt Hartmann zu bedenken. „Jobsharing ist deshalb das perfekte, dem Lebenszyklus angepasste Karrieremodell.“
In ihrem Unternehmen haben Hartmann und Stute bereits zahlreiche Kolleginnen gefunden, die ihnen nacheifern. 16 Jobshares gibt es bei Unilever inzwischen, „das ist inzwischen ein ganz normales Instrument bei uns geworden“, sagt Hartmann. Umso mehr bedauert sie, dass viele andere Unternehmen noch nicht die große Chance erkannt hätten, die in diesem Konzept liegt. „Das werden wir für die Gesellschaft künftig viel stärker brauchen“, denn der Wunsch nach flexibleren Arbeitszeiten wachse in Zeiten der Digitalisierung und der älter werdenden Gesellschaft. Auch bei Männern. „Leider gibt es hier noch immer zu wenig Innovationsbereitschaft. Ich hoffe auf mehr Mut bei den Unternehmen, solche Modelle anzubieten“, betont Hartmann. Auch auf höchster Hierarchieebene. „Leider ist beim Direktoren-Level oft Schluss. Das ärgert mich, denn dafür gibt es keinen Grund.“

 

wissent2„Beim Arbeiten merkt man, ob man auf der gleichen Wellenlänge liegt.“

Petra Klöppel
Geschäftsführerin Synergy Consult

 

 

Das sieht auch Petra Köppel so, die mit ihrer Firma Synergy Consult Unternehmen bei der Einführung und Weiterentwicklung von Diversity Management berät. „Als Grund gegen Jobsharing auf Führungseben wird oft angegeben, dass der Manager dann nicht für die Mitarbeiter greifbar ist. Aber das ist er ja genau so wenig, wenn er auf Dienstreisen oder in Meetings ist“, sagt Köppel. Vielmehr werde beim Leadership Share ja eine höhere Ansprechbarkeit gewährleistet, weil eben zwei Manager eine Position teilen würden. Bisher haben sie kein Jobshare-Tandem scheitern sehen, im Gegenteil: „Gerade weil beide Partner zeigen wollen, dass das Modell funktioniert, sind sie sehr engagiert und bringen hervorragende Leistungen.“
Woran erkannt man aber, ob ein Kollege tatsächlich so gut zu einem passt, dass ein Jobshare mit ihm erfolgreich werden könnte? „Am besten lernt man sich im Job kennen, weil man dabei sieht, wie jemand arbeitet und ob man auf derselben Wellenlänge liegt“, erklärt Köppel. Es gebe aber auch Unternehmen, die intern eigene Portale anbieten würden, auf denen Interessierte einen Partner finden können.
Genau diesen Prozess will auch das Berliner Start-up Tandemploy erleichtern. Einerseits können sich über das Portal zwei Interessierte zusammentun, die sich gemeinsam auf eine ausgeschriebene Tandem-Stelle bewerben wollen. Für sie ist der Service kostenlos, für Unternehmen ist ein Profil auf der Website ab 99 Euro im Monat zu haben. Weiter hat Tandemploy die Software „flex:workz“ entwickelt, die einer Firma intern zur Verfügung steht. Die eigenen Mitarbeiter melden sich hier an, füllen den Fragebogen aus und geben an, wofür sie sich interessieren: Einige wollen ihre Arbeitsstunden reduzieren und suchen daher einen Tandempartner. Manche wollen in andere Bereiche schnuppern, zusammen ein Projekt starten oder den Job tauschen. Die Mitarbeiter organisieren sich mit der Software selbst und gehen dann mit Lösungsvorschlägen zur Chefetage. So können Strukturen von unten geöffnet und die Unternehmenskultur modernisiert werden.
Sybille Hartmann ist inzwischen wieder als „Single“ unterwegs, nach zwölf Jahren haben sie und Elisabeth Stute das Tandem aufgelöst. Die Kinder sind inzwischen erwachsen, „und ich wollte noch einmal alleine durchstarten“, erklärt Hartmann, die seit April 2017 als Financial Controller für die DACH-Region verantwortlich ist. Mit Stute tausche sie sich aber weiterhin regelmäßig aus, beispielsweise bei einem gemeinsamen Mittagessen – danach tritt dann jede wieder in ihre eigenen Pedale.

 

Text: Sonja Álvarez Illustration: Stephan Kuhlmann