Selbstständig sein und das Know-how etablierter Geschäftsmodelle nutzen: Das ist das Prinzip beim FRANCHISING. Die Firmen mit ihren vielen Ablegern sind beliebter denn je. Warum eigentlich?

Der Trend ist nicht zu übersehen. Ob Wohnung, Auto oder Job: Die Deutschen, so scheint es, haben ihre Liebe fürs Gemeinsame entdeckt – und teilen, was das Zeug hält. Manche Soziologen sehen im Phänomen der sogenannten Shareconomy, also des Teilens (engl. „share“ ) in der Wirtschaft (engl. „economy“), eine Rückbesinnung auf alte Werte und eine Abkehr von der Konsumgesellschaft. Diese Analyse trifft in Einzelfällen vermutlich auch zu. überwiegend dürfte es den Beteiligten aber eher darum gehen, eigene Risiken gering zu halten, Kosten zu minimieren und trotzdem möglichst viel für sich herauszuholen. Aus diesem Grund ist der Austausch von Wissen, Ressourcen und Erfahrungen in der Welt der Unternehmer längst etabliert – zumindest, wenn er für alle Beteiligten von Nutzen ist. Bestes Beispiel: Franchising, also jenes Modell, auf dem internationale Fast-Food-Ketten, aber auch Drogeriemärkte, Blumenläden oder Sportstudios aufgebaut sind. Das Prinzip ist stets dasselbe und funktioniert im Idealfall so: Ein kluger Mensch hat eine gute Geschäftsidee, lässt sie von anderen verbreiten – und alle werden reich.

Von Burgern, Blumen und Muckibuden
In der Praxis klappt die Sache mit dem Reichtum natürlich nicht immer. Und wenn doch, dann braucht sie eine Menge Zeit. Fakt ist aber: Franchising ist in Deutschland beliebter und erfolgreicher denn je. 994 Franchise-Geber waren nach Angaben des Deutschen Franchise-Verbands e.V. (DFV) 2013 am deutschen Markt aktiv. Hinzu kamen 77 000 Franchise-Nehmer, die insgesamt einen Umsatz von 62,8 Milliarden Euro erwirtschafteten. „Prinzipiell kann jeder Unternehmer, der eine innovative und unkompliziert zu multiplizierende Geschäftsidee hat, Franchise- Geber werden“, sagt Günter Erdmann, Rechtsanwalt und Wirtschaftsmediator bei SchlarmannvonGeyso in Hamburg. Das Konzept muss sich allerdings in Form von mindestens einem Pilotbetrieb bewährt haben – also im Eigen- und Fremdversuch funktionieren.

„Die Tatsache, dass man selbst in der Lage ist, seine Idee erfolgreich umzusetzen, reicht nicht“, sagt Clubmitglied Erdmann. Erst muss feststehen, dass auch ein Dritter in der Lage ist, das Konzept umzusetzen. Hat allerdings auch der Test-Franchise- Nehmer Erfolg, kann es losgehen.

Kettenreaktion für Kreative
Dass man auf diese Weise ein ganzes Imperium ins Leben rufen kann, zeigt der Fall von Carsten Gerlach. 1986 kam dem jungen Entrepreneur die Idee, hungrige Menschen mit frisch gebackener Pizza zu versorgen. Und zwar am heimischen Esstisch. Für damalige Verhältnisse war das ein revolutionäres Konzept. Die Idee für den Lieferservice hatte Gerlach aus den USA mitgebracht. Und er verfolgte sie mit Nachdruck. Zwei Jahre lang probierte er Rezepte aus und leistete Überzeugungsarbeit bei skeptischen Freunden und Bekannten. Dann war es so weit: Der erste Joey’s Pizza Service eröffnete am 15. April 1988 in Hamburg.

Als wichtigsten Firmenleitsatz legte Gerlach fest: „Mehr als zehn Minuten Transportzeit darf keine Joey’s-Pizza haben.“ Der Grund für die befohlene Eile war einleuchtend. Gerlach: „Wer Pizza bestellt, hat Hunger und möchte nicht lange auf sein Essen warten müssen. Außerdem ist die schnelle Lieferung wichtig, um die hohe Qualität der Pizza zu gewährleisten.“

Pizza für daheim – eine runde Sache
Das Konzept ging auf. Die Geschäfte liefen so gut, dass der Jungunternehmer noch im gleichen Jahr zwei weitere Betriebe eröffnete und seinen Nettoumsatz auf stolze 250 000 Euro steigerte. Schon im Jahr eins nach der Gründung kam Gerlach daher die Idee, sein Konzept per Franchising einer noch breiteren Gruppe zugänglich zu machen. Der Rest ist Geschichte. Heute können Kunden in mehr als 100 Städten Pizzen nach Hamburger Machart bestellen. Der Gesamtumsatz liegt bei 128, 1 Millionen Euro. Joey’s Pizza Hamburg ist damit einer der zehn größten Gastro- Franchise-Geber und umsatzstärkster Pizza-Lieferservice in Deutschland.

Franchise-Nehmer müssen sich an Spielregeln halten. Dafür profitieren sie von dem vorhandenen Know-how.

Von diesem Erfolg profitieren auch die Franchise-Nehmer. Derzeit gibt es 210 Betriebe, die nach dem bewährten Joey’s-Prinzip agieren. Tendenz steigend. Wer Teil des Systems werden möchte, sollte allerdings einige Grundvoraussetzungen erfüllen. Die vielleicht wichtigste: Er muss sich voll und ganz mit dem Geschäftsmodell identifizieren. Wer heimlich für Molekularküche schwärmt, ist bei einem Pizzaservice daher nur mäßig gut aufgehoben. Ein Katzenhaarallergiker sollte nicht unbedingt in Tierfutter machen – und erklärte Bewegungsmuffel kein Sportstudio betreiben.

Erlaubt ist, was sich bewährt hat
Wirtschaftlich sind die Franchise-Nehmer selbstständige Unternehmer. Im Gegensatz zu herkömmlichen Unternehmensgründern sind sie bei der Ausgestaltung des Geschäftsmodells aber nicht frei, sondern müssen sich an bestimmte Spielregeln halten. Andererseits bietet dieser klare Rahmen gerade unerfahrenen Gründern erhebliche Vorteile. „Franchising ermöglicht es, von einem bereits erprobten Geschäftsmodell zu profitieren“, erläutert Anwalt Erdmann. Die Erfolgswahrscheinlichkeit ist damit deutlich höher als bei anderen Start-ups – auch, weil Franchise-Nehmer auf vorhandenes Know-how zurückgreifen können und in der Regel von einem etablierten Markennamen profitieren. „Während herkömmliche Gründer oft gerade einmal eine Fifty-Fifty-Chance haben, mit ihrem Projekt dauerhaft am Markt zu bestehen, liegt die Quote bei Franchise-Nehmern bei etwa 90 Prozent“, so Erdmann. Ein weiterer Pluspunkt sei die erhöhte Kreditwürdigkeit bei Banken. Zudem erhielten Franchise-Nehmer in der Regel Schulungen, um typische Anfängerfehler als Selbstständige zu vermeiden. Zum Nulltarif ist dieser Startvorteil allerdings nicht zu haben. Wer sich als Franchise-Nehmer selbstständig macht, zahlt dafür. Und zwar von Anfang an.

Erfolg kostet Geld
Als Erstes wird die sogenannte Einstiegsgebühr fällig. Über sie holt sich der Franchise-Geber zum Beispiel seine Ausgaben für Entwicklungs- und Erprobungskosten und die Kosten für die Systemeingliederung zurück. Oft sind darin zudem die Kosten für die erforderlichen Anfangsschulungen enthalten. „In der Praxis variiert die Höhe der Eintrittsgebühr je nach Größe des Franchise-Systems, Geschäftsmodell und Standort des Betriebs erheblich. üblich sind Summen zwischen 5000 und 75 000 Euro“, so Anwalt Erdmann. „Diese Summe ist meist auch dann verloren, wenn der Vertrag später gekündigt wird.“ überdies muss der Franchise-Nehmer einen Teil seiner Erträge an den Franchise-Geber überweisen. Am Markt anzutreffen sind ein bis 15 Prozent des monatlichen Nettoumsatzes, je nach Branche und Charakter des Franchise-Konzepts. Für Werbung und Lizenzen können nochmals ein bis drei Prozent fällig werden. Eine erfolgreiche Franchise-Partnerschaft bedeutet für den Franchise-Geber allerdings nicht nur, dass er andere Unternehmer für sich arbeiten lässt und dafür Geld kassieren kann. „Erfolgreiches Franchising ist immer dadurch gekennzeichnet, dass ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Geben und Nehmen besteht“, so Erdmann.

Eine Garantie für den Erfolg kann dem Unternehmer auch das etablierteste Franchise- Modell nicht bieten.

„Eine faire Vertragsgestaltung, aber auch ein wechselseitiger Austausch über mögliche Neuerungen und regelmäßige Schulungen sollten selbstverständlich sein.“ Stimmen die Parameter, hat ein Gründer gute Chancen, in einem etablierten System erfolgreich zu werden. Viele Start-ups sind bereits nach ein bis zwei Jahren in den schwarzen Zahlen. Eine Garantie bietet allerdings auch das etablierteste Franchise- Modell nicht. „Ein Restrisiko bleibt immer“, sagt Anwalt Erdmann. Franchise-Nehmer müssen daher, wie alle Gründer, ein großes Stück Unternehmergeist in sich tragen und bereit sein, Risiken einzugehen und auch die eine oder andere Durststrecke zu überstehen. „Gerade zu Beginn der Selbstständigkeit gibt es einige Klippen zu umschiffen“, weiß auch Unternehmer Gerlach. So komme es zum Beispiel immer wieder vor, dass jemand beim Zeitmanagement oder bei der Standortwahl Fehler mache oder mit Kostenrechnung und Personalauswahl Probleme habe. Sein Rat lautet daher: „Ein Gründer sollte nie zu stolz sein, auch einmal fremde Hilfe und Rat von anderen anzunehmen. Und zwar weder in der Anfangsphase noch dann, wenn das Geschäft bereits läuft.“ Wer auf das richtige System setzt, typische Anfängerfehler vermeidet und regelmäßig den Austausch mit Kollegen sucht, hat allerdings gute Chancen auf ein Happy End – und die Gewissheit: Geteilter Erfolg ist doppelter Erfolg.

Text: Dr. Catrin Gesellensetter        Illustration: Carsten Lerch
Dr. Catrin Gesellensetter arbeitet als Wirtschaftsjournalistin in München. Die ausgebildete Juristin schreibt unter anderem für Capital, das Handelsblatt und die Süddeutsche Zeitung.