Den vielen ehrenamtlichen Mitarbeitern und dem Verein brotZeit ist es zu verdanken, dass alle Kinder an derzeit 30 Hamburger Schulen die Chance auf einen guten Start – in den Tag und in ein selbstbestimmtes Leben haben.

Es ist 6.30 Uhr – am Morgen! Während der Autor dieser Zeilen noch mit der Schwerkraft der Augenlider kämpft, herrscht im Aufenthaltsraum der Schule Mendelstraße reges Treiben. Die Schule im Stadtteil Lohbrügge gehört zu den 30 Brennpunktschulen, in denen der Verein brotZeit e.V. Schüler und Schülerinnen mit Frühstück vor dem Unterricht versorgt und Kindern mit anderer Muttersprache am Nachmittag beim Lernen der deutschen Sprache hilft. Die Business Club-Initiative „Unternehmer für Hamburg“ finanziert über Patenschaften der Christoph Metzelder Stiftung bereits an fünf Hamburger Schulen vollständig die Arbeit von brotZeit in den kommenden drei Jahren, fünf weitere Schulen sollen hinzukommen.
Die drei ehrenamtlichen Helferinnen Anneliese Adnane, Gisela Watterodt und Doris Weißbrod sind schon auf Betriebstemperatur. Bei Gute-Laune-Musik aus dem Kofferradio machen sie das, was sie hier seit zwei Jahren regelmäßig tun: Sie bereiten das Frühstück für „ihre“ Kinder vor. Die Projektleiterin von brotZeit in Hamburg ist ebenfalls da. Esther Marquardt, verantwortlich für Koordination, Kontakt zu den Schulen und die Auswahl der Senioren und Seniorinnen, besucht die 30 Schulen regelmäßig, um zu schauen, ob alles läuft oder ob es Probleme gibt, die gelöst werden müssen. Das geschieht stets in Absprache mit der Schule. „Jede Schule trägt die Verantwortung für die Umsetzung des Projekts und die freiwilligen Frühstückshelferinnen und -helfer sind in der Schule verortet“, erklärt Marquardt. Sie ist beim Personaldienstleister DISAG als Angestellte beschäftigt. Seit 2012 ist Marquardt jedoch von ihrem eigentlichen Job freigestellt und kümmert sich ausschließlich um das Projekt brotZeit.
Der zum Frühstücksraum umfunktionierte Aufenthaltsraum ist mit einer Küchenzeile, einem eigenen „brotZeit“-Kühlschrank, einer professionellen Spülmaschine, einer Spielecke sowie mit drei Tischen, an denen 20 Kinder Platz nehmen können, ausgestattet. Für Gemütlichkeit sorgen die drei Seniorinnen persönlich. „Wir machen die Tischdeko und stellen frische Blumen auf den Tisch, damit sich die Kinder wohlfühlen“, sagt Anneliese Adnane. Währenddessen stellt sie kleine Glasschälchen mit geschnittenen Äpfeln auf die Tische. Gesundes Essen ist hier oberstes Gebot.
Als um kurz vor sieben unternehmer3Uhr die ersten Kinder den Raum betreten, sind die Vorbereitungen fast abgeschlossen. Jakob ist der erste, der sich zielstrebig aufs Büfett stürzt. Die Auswahl ist lecker und vielfältig: Cornflakes und Früchtemüsli, Joghurt mit verschiedenen Früchten, Naturjoghurt, Mettwurst, Käse, Fleischwurst, rote und gelbe Marmelade, Honig, Gurken, Kirschtomaten, literweise Milch für Kakao und unterschiedliche Brotsorten. Die Firma Lidl liefert alle zwei Wochen frische Lebensmittel, damit es den Kinder an nichts fehlt. „Die Kinder ihr Brot und Müsli selbst machen. Das sollen sie hier auch lernen“, sagt Esther Marquardt.
Doch ein wenig verwöhnt werden sie von Doris Weißbrod, Gisela Watterodt und Anneliese Adnane natürlich schon. Die drei haben inzwischen Teller mit Schwarzbrotschnittchen mit Frischkäse und Gurkenscheiben sowie Graubrotvierecke mit Orangen- und Erdbeermarmelade angerichtet. Doris Weißbrod geht an die mittlerweile gut besetzten Tische und bietet die Schnittchen an. Doch nicht alle Kids greifen sofort zu. Das ist kein Problem für die frühere Altenpflegerin. Mit Gelassenheit und in ruhigem Ton spricht sie mit den n gefüllt. Mettwurst und Käse gehen auch ganz gut. Aber der absolute Renner ist die Fleischwurst. Ruckzuck sind die gefühlt 100 Scheiben vom Büfett verschwunden und weggeputzt. „Was, ist die schon wieder alle?“, fragt Anneliese Adnane, befreit eine neue Wurst von der Pelle und schneidet sie in Scheiben. Vor allem die Jungen schlagen ordentlich zu. Ihre Teller sehen im Allgemeinen so aus: eine Scheibe Brot ohne Aufstrich. Dazu eine Portion Fleischwurst, die das Brot unter sich verschwinden lässt. Dann werden die Scheiben nach und nach heruntergefingert und übrig bleibt das Brot, das dann pur gegessen wird. „Fleischwurst ist meine Lieblingswurst. Magst du die auch?“, fragt mich Jakob. Als ich die Frage mit Ja beantworte, reicht er mir lässig eine Scheibe herüber und lächelt zufrieden.
Zwischen sieben und acht Uhr ist hier Primetime. Um einen Überblick darüber zu haben, wie viele Jungen und Mädchen am Frühstück teilnehmen, haben sich die Verantwortlichen einen Trick ausgedacht. Anstatt bei dem Gewusel und dem Rein- und Rausgehen der Kinder ständig an der Tür zu stehen und zu überprüfen, wer neu kommt oder wer nur wiederkommt, haben sie im Raum zwei Körbchen platziert. In einem sind bunte Wäscheklammern, der andere ist leer. Jedes Kind, das in den Raum kommt, nimmt sich eine Klammer und legt diese in das andere Körbchen. „In der Regel haben wir jeden Tag um die 30 bis 40 Kinder, die zum Frühstück kommen“, sagt Projektleiterin Esther Marquardt. Heute sind es genau 30. Die Seniorinnen kennen alle mit Namen, obwohl das nicht immer ganz einfach ist. „Ich habe mir zuerst drei gemerkt und als ich die kannte, habe ich mir die nächsten drei vorgenommen“, verrät Doris Weißbrod.
In der Funternehmer2rühstücksrunde herrscht eine familiäre Atmosphäre. Die meisten Kinder umarmen die Betreuerinnen zur Begrüßung, sie sind freundlich im Ton, sagen Bitte und Danke und gehen verständnisvoll miteinander um. Das ist nicht unbedingt üblich. Viele haben die Umgangsformen hier gelernt. „Manche Kinder sind richtig anhänglich und haben gleich das Bedürfnis, etwas zu erzählen – von zu Hause, vom Urlaub, von Geschenken. Andere setzen sich still an den Tisch. Mit der Zeit bekommt man ein Gespür dafür, wie die Kinder morgens drauf sind“, sagt Gisela Watterodt. Sie ist selbst Mutter und war viele Jahre im Büro beschäftigt. Watterodt wollte sich nicht einfach ins Rentnerleben zurückziehen, sondern der Gesellschaft etwas zurückgeben.
Genauso ging es Doris Weißbrod und Anneliese Adnane. „Ich war 25 Jahre als Altenpflegerin tätig“, so Weißbrod. „Da kann man nicht einfach von einem auf den anderen Tag nichts mehr tun. Und das frühe Aufstehen stört mich nicht. Als ich noch gearbeitet habe, musste ich um vier Uhr aufstehen, jetzt erst um fünf“, sagt sie lächelnd. Anneliese Adnane arbeitete als Sekretärin bei Philips. Als sie mit 63 Jahren in Rente ging, war ihr klar: „Ich wollte unbedingt etwas tun.“
Alle drei wurden über eine Anzeige im Wochenblatt auf das Projekt aufmerksam. „Die Anzeigen sind unser erfolgreichstes Akquisemittel“, sagt Esther Marquardt. Wenn die Seniorinnen und Senioren sich bewerben, werden sie von der Projektleiterin zu einem Gespräch eingeladen. Sie erklärt ihnen, worauf es bei der Arbeit ankommt, und stellt einige Fragen. Wenn alles passt, schlägt Marquardt die Ehrenamtlichen den Verantwortlichen in den Schulen vor und die wählen aus, wer mitmachen darf.
Anneliese Adnane, Gisela Watterodt und Doris Weißbrod sind glücklich, den Kindern helfen zu können. „Ich habe noch keinen Tag bereut“, sagt Weißbrod und ihre Kolleginnen nicken zustimmend. Als besondere Belohnung für ihr Engagement bezeichnen sie das jährliche Treffen, zu dem brotZeit-Initiatorin Uschi Glas alle Ehrenamtlichen einlädt. „Das ist wirklich schön, weil man so eine tolle Anerkennung erhält“, sagt Watterodt stolz.
Es ist 7.55 Uhr. „Leute, in fünf Minuten beginnt der Unterricht“, ruft Doris Weißbrod in den Raum, damit ja niemand zu spät in die Klasse kommt. „Morgen früh sehen wir uns wieder.“

SO KÖNNEN SIE HELFENunternehmert1
Für Ihre Patenschaft stehen für Sie Commitment Cards zum Download bereit unter http://www.bch.de/club/brotzeit. Spenden für das Projekt bitte direkt an die Christoph Metzelder Stiftung auf das Konto bei der Sparkasse Essen (IBAN: DE49 3605 0105 0000 4754 75/ BIC SPESDE- 3EXXX) mit dem Verwendungszweck „brotZeit – Unternehmer für Hamburg“. Ziel der Initiative „Unternehmer für Hamburg“ ist, wie die Behörde für Schule und Berufsbildung in Hamburg, eine nachhaltige Hilfestellung für Kinder an zehn Hamburger Schulen zu bieten.

 

 

Text: Achim Schneider Fotos: Martina van Kann