Viele kennen sein Gesicht aus dem Fernsehen. Doch TV-Moderator ist nur einer von vielen Jobs, die HUBERTUS MEYER-BURCKHARDT ausübt. Im Interview spricht er über Zukunftspläne, den Reiz von Radio, sein Faible für Mode und seine Lust an der Unvernunft.

club!: Ihre Kollegin Barbara Schöneberger hat einmal gesagt, Sie seien das „Paradebeispiel eines Lebemannes internationalen Stils“.
Hubertus Meyer-Burckhardt: Da werde ich ihr natürlich nicht widersprechen. Ich lebe gern, ich reise gern, ich esse gern, ich trinke gern. Und ich weiß um die Begrenztheit des Lebens.

club!: Was bedeutet Ihnen Mode?
Meyer-Burckhardt: Ich habe ernsthaft verschiedentlich geäußert: Im nächsten Leben werde ich nicht Fernsehproduzent, sondern Modemacher. Generell interessieren mich Träume. Ich habe früher in der Werbung bei BBDO in Düsseldorf gearbeitet und ich mochte es, Illusionen zu schaffen. Ich bin Fernsehproduzent geworden, weil dieser den Menschen dabei hilft, der Realität zu entfliehen. Auch Mode ist eine Möglichkeit, sich etwas Gutes zu tun. Mit Mode nehme ich überdies den Dialog mit der Umgebung auf. Als ich nach Hamburg kam, habe ich es immer sehr traurig gefunden, dass die Stadt so farblos in der Textilwahl war. Wenn ich in katholisch beeinflusste Gegenden komme, nach Köln, München oder Düsseldorf, geschweige denn Italien oder Frankreich, habe ich das Gefühl, dass dort eher über die Kleidung kommuniziert wird. Man spricht ja auch von Farbsignal.

club!: Das Interesse an den farbigen Strümpfen, die Sie ja tatsächlich nur selten in der NDR Talk Show trugen, scheint sich ein wenig verselbständigt zu haben…
Meyer-Burckhardt: Man muss einkalkulieren, dass Menschen Oberflächliches wahrnehmen, denn das Medium Fernsehen ist in seinem Charakter oberflächlich. Mein eigenes Interesse an Mode geht schon tiefer. Es gibt hochinteressante Arbeiten von Psychologen darüber, wie welche Farbe wirkt, abhängig etwa von der Kultur, in der sie getragen wird. Was ich spannend finde ist: Für Mode geben Sie unverhältnismäßig viel Geld aus, auch wenn Sie wissen, dass der Materialwert erheblich geringer ist. Irgendwie werden Sie unvernünftig. Und ich mag es, wenn Menschen zur Unvernunft verführt werden.

club!: Sind Sie auch mal unvernünftig in Modedingen?
Meyer-Burckhardt: Zuletzt habe ich mir bei Marc Anthony, dem Hamburger Schneider, drei Maßanzüge und unverhältnismäßig sieben Maßhemden anfertigen lassen. Ich bin Kind kleiner Leute und musste immer die Jeans von Nachbarkindern auftragen. Schon als Zehnjähriger habe ich mir gesagt: Eines Tages wirst du finanziell unabhängig sein und etwa beim Kauf eines Pullovers nicht auf den Preis achten müssen. Das hat mich nicht zu einem wahllos kaufenden Shopper gemacht. Aber ich weiß es immer noch zu wertschätzen, dass ich mir einen Pullover kaufen oder ein Taxi nehmen kann, ohne dass es mir finanziell weh tut.

club!: Gibt es ein Teil, das Ihnen besonders viel bedeutet?
Meyer-Burckhardt: Ich erinnere mich, dass ich mir einmal eine sehr teure Uhr gekauft habe, die aber nicht teuer aussah. Nur ich kannte den Wert oder der ein oder andere Kenner. Ich mag es, wenn etwas Qualität hat, gerade ein Stoff. Ich kann hinter einer Person herlaufen und sehe im Lichtfall, wie der Stoff sich bewegt. Ich kann sehen, ob dieser eine gute Qualität hat, und mich daran erfreuen. Wenn Sie einen Film machen und Schauspieler anziehen, muss man auch eine gewisse Erfahrung mitbringen. Alles, was wir anziehen, ziehen wir nicht zufällig an. Auch wenn wir sagen, wir verweigern uns jeder modischen Einflussnahme, ist es dennoch so, dass wir eine Entscheidung treffen, die dann gegen die Mode geht, die vorherrscht. Wir sind immer im Dialog mit uns selbst und der Umgebung.

club!: Gab es in Ihrem Leben eine Phase, in der Sie sich der vorherrschenden Mode verweigert haben?
Meyer-Burckhardt: Ich bin Jahrgang 56, da können Sie sich vorstellen, was los war, als ich 20 war. Meine Haare waren meistens fettig und ziemlich lang, und es waren Bands populär, die mit Vorliebe Plateaustiefel trugen. Die Mode in den 70ern war darauf ausgerichtet, eine spießige ältere Generation zu provozieren. Ein Aspekt, der hochinteressant ist: Wenn es wirtschaftlich nach oben geht, dann sind die Leute bunter, provokativer, lustbetonter angezogen. Wenn die Wirtschaft stagniert, tragen die Menschen weniger Farbsignale, weil sie sich in der Defensive empfinden.

club!: Wie eitel muss man sein, wenn man vor der Kamera agiert?
Meyer-Burckhardt: Eitel sind wir alle. Die Frage ist nur, ob die Intelligenz und die analytische Kraft schwächer sind als die Eitelkeit. Wenn die Persönlichkeit stärker ist, also wenn man die Eitelkeit lächelnd einsetzt, ist es statthaft. Wenn Sie vor eine Kamera gehen, dann müssen Sie eben bestimmte Gesetze beachten. Sie können die Regeln brechen, aber Sie müssen diese kennen.

club!: Haben Sie schon Menschen aufgrund von Äußerlichkeiten falsch eingeschätzt?
Meyer-Burckhardt: Natürlich, aber das hat nicht nur mit der Kleidung zu tun. Man speichert unbewusst den Auftritt ab, man nimmt Signale auf. Sie können nicht anders, denn Sie haben Assoziationen, die aus der Kindheit, der Erziehung, der Kultur, dem Geschmack kommen. Ich möchte auch weiter irren und mich überraschen lassen, weil ich nicht will, dass das Leben einem Drehbuch folgt. Ich habe auch über einen längeren Zeitraum jede Form der Festanstellung vermieden, weil ich dachte: Da läufst du Gefahr, dass das Drehbuch deines Lebens andere schreiben. Ich habe außerdem ein ganz positives Verhältnis zum Scheitern und zum Siegen.

club!: Sie haben schon in einigen Städten gelebt, wie wohl fühlen Sie sich in Hamburg?
Meyer-Burckhardt: Mittlerweile fühle ich mich sehr wohl. Ich habe hier damals Geschichte und Philosophie studiert, war dann lange in Berlin, Düsseldorf und München. Am Anfang hatte ich Akklimatisierungsschwierigkeiten, weil mir ein wenig das Südliche fehlte. Aber morgens um 7 Uhr geht ja nonstop eine Maschine nach Mailand, und wenn ich wiederkomme, habe ich die Brust voller Italien. Außerdem halte ich mich in Hamburg sehr viel in italienischen Restaurants auf, vor allem im La Bruschetta in Winterhude. Ich hole mir das italienische Gefühl schon immer dahin, wo ich bin.

club!: Was lieben Sie denn an Italien so sehr?
Meyer-Burckhardt: Mein Freund Giovanni di Lorenzo hat mir neulich gesagt, ich hätte eine Folklore-Sicht von Italien. Aber so ist es vielleicht auch: Wenn man jemanden liebt, sieht man auch über die Fehler hinweg. Wenn Sie in Hamburg mittags ein Glas Wein trinken, erklärt Ihnen der Geschäftsmann 23-mal, dass er eigentlich mittags keinen Wein trinkt. Der Protestantismus ist für mich eine echte Herausforderung, denn er appelliert natürlich nur an Vernunft und Effizienz. Und mein Leben soll kein Schwarz-Weiß-Film, sondern ein Farbfilm sein. Um zur Mode zurückzukommen: In Italien kann ich eine Briefmarke kaufen und der Postmitarbeiter wird das richtige T-Shirt tragen, den richtigen Pulli. Ich habe den Eindruck, dass die Italiener ein ganz großes Gefühl haben für Farbe, für Formen, Stoffe, für Design allgemein. Ich finde das beneidenswert.

club!: Und wie ist der Stil der Hanseaten zu beurteilen?
Meyer-Burckhardt: Große Modeschöpfer wie Karl Lagerfeld oder Jil Sander haben hier ihre Spuren hinterlassen. Die Stadt hat also offensichtlich kreative Menschen im Modebereich immer wieder stimuliert. Natürlich muss ich sehen, dass Hamburg eine Kaufmannsstadt ist, und Kaufleute sind zunächst einmal eher konservativ, wollen durch ihr Äußeres nicht ablenken vom Gelingen eines Geschäftes.

club!: Ist Hamburg denn eine kreative Stadt?
Meyer-Burckhardt: Gerade in der Netzwirtschaft ist Hamburg führend. Die Stadt war immer eine Stadt der Werbeagenturen, hat namhafte Theater, hat John Neumeier. Ja, Hamburg ist wahnsinnig kreativ. Ich bereite zum Beispiel gerade einen Spielfilm mit jungen Leuten aus Wilhelmsburg von der Firma „Hirn und Wanst“ vor, die die „Wilde 13“ gemacht hat. Ich bin in dem Alter, in dem ich mit jungen Leuten arbeiten will. Da finde ich Anregung und Inspiration.

club!: Sie erwähnen Wilhelmsburg, gibt es Stadtteile, die Sie besonders interessieren?
Meyer-Burckhardt: Wilhelmsburg ist für mich Berlin in klein. Tatsächlich habe ich aber alle Stadtteile zwischen Bergstedt und Bergedorf, zwischen Farmsen und Fuhlsbüttel für mich erobert. Wo kann man drehen? Wo hat man einen neuen Blick auf Hamburg? Ich muss immer das Gefühl haben, ich kenne alles.

club!: Wie wichtig sind Netzwerke für Kreative in der Stadt?
Meyer-Burckhardt: Wichtig, wenn diese Netzwerke jung sind. Welche Mentalität in Hamburg leider ein bisschen fehlt, ist das Unverbindliche. In Köln gehe ich in den Alten Wartesaal, in München ins Schumann’s, in Berlin ins Borchardt – da das Oberflächliche in Hamburg im Verdacht steht, gibt es hier diesen einen Laden nicht. Wir haben die Verlage, Schauspieler, Werber, und trotzdem haben diese kein Etablissement, von dem sie sagen: Da geh ich noch mal eben vorbei. Dabei ist das auch ein bisschen Lebensqualität. Wenn ich aus der Stadt nie rauskäme, dann würde mir das wirklich fehlen.

club!: Und der ständige Vergleich mit der Hauptstadt?
Meyer-Burckhardt: Ich betrachte die Nähe zu Berlin eher als Chance denn als Gefahr. Sie können in die wahrscheinlich aufregendste Stadt der Welt, die Berlin momentan aus Sicht vieler junger Leute ist, in anderthalb Stunden mit dem ICE fahren, das ist doch wirklich toll. Berlin hat einen vitalisierenden Einfluss, denn die Stadt fördert den Wettbewerb unter den anderen Metropolen und sorgt dafür, dass diese nicht einschlafen.

club!: Sie sind im Februar mit dem Radio-Format „Meyer-Burckhardts Frauengeschichten“ auf Sendung gegangen. Wieso sind nur Frauen zu Gast?
Meyer-Burckhardt: Ich habe mich im vergangenen Sommer aus der Führung der Produktionsfirma Polyphon zurückgezogen, weil ich Dinge anders machen möchte. Dazu gehört ein neues Buch, die Talkshow sowieso und Radio war das einzige Medium, das ich noch nicht gemacht habe. Man kann Radio nicht neu erfinden. Aber Frauen bleiben für mich ein völliges Mysterium. Sie sind in einer vielfältigen Weise anders als ich, emotional widersprüchlich. Ich bin gern mit Frauen zusammen, aber halte auch eine respektvolle Distanz. Mit „Meyer-Burckhardts Frauengeschichten“ bin ich einmal monatlich auf Sendung, ein ruhiges Gespräch von 55 Minuten immer am ersten Sonntag. Jede Frau bringt drei Musikstücke mit, die in ihrem Leben eine Rolle gespielt haben. Ich selbst setze dem immer ein Musikstück von Rod Stewart entgegen. In der ersten Folge war Barbara Schöneberger zu Gast, die nächste wird Katharina Trebitsch, die Produzentin. Im April kommt die Ferres.

club!: Was reizt Sie am Radio?
Meyer-Burckhardt: Radio hat für mich eine biografische Bedeutung. Ich bin in Kassel geboren, meine Mutter war alleinerziehend und hat im Altersheim gearbeitet. Eine gut situierte Kindheit sieht anders aus. Radio war billig, und als ich 14, 15, 16 war, war Radio die Erlösung. Mich haben zwei Dinge gerettet in dieser Melancholie der finanziell knappen Kindheit: Radio und Rockmusik. Viel später habe ich das Hörspiel für mich entdeckt.

club!: Machen sich Frauen zu viel Gedanken um ihr Äußeres?
Meyer-Burckhardt: Die meisten Frauen, die ich kenne, treten morgens vor den Spiegel, und wenn sie nach ihrem Empfinden nicht schön aussehen, sind sie zutiefst davon überzeugt, sie sind schuld. Ich bin in so einem Fall zutiefst davon überzeugt, der Spiegel ist schuld. Ich altere lustvoll.

club!: Gibt es Frauentypen, die Ihnen in besonderer Weise imponieren?
Meyer-Burckhardt: Ich habe immer großen Respekt vor Menschen, bei denen ich den Eindruck habe, die sind so bei sich. Ich mag Menschen, die etwas beginnen, die sich nicht als Opfer des Lebens begreifen, die auch durch Krisen kommen. Da das Leben nach meiner tiefen Überzeugung gar nicht gerecht sein kann, bleibt uns nichts übrig, als das Leben zu nehmen, wie es ist. Ich habe wirklich tiefen Respekt vor Barbara Schöneberger, der ich das alles so zugestehen würde.

club!: Sie selbst haben im Laufe Ihrer Karriere so vieles gemacht – wo waren Sie ganz bei sich?
Meyer-Burckhardt: Ich habe sogar die Vorstandsjahre bei Springer und Pro Sieben auslaufen lassen, weil ich Filme produzieren wollte. Der Film „Blaubeerblau“ mit Striesow und Kunzendorf etwa, das ist es, was mich am meisten interessiert. Und dass ich so vieles machen darf, was mir Spaß macht – wie die NDR Talk Show – betrachte ich als großes Privileg. Ich brauche auch keinen Urlaub. Ein Chef sagte einmal zu mir: Wir sind Pralinendreher. Stimmt, denn es hängt kein Leben von dem ab, was ich tue.

club!: „Blaubeerblau“ spielt in einem Hospiz. Sie engagieren sich auch für eine solche Einrichtung.
Meyer-Burckhardt: Ich hatte immer ein großes Verhältnis zum Ende des Lebens. Ich habe immer das Gefühl gehabt: Junge, lebe dein Leben! Der Begriff Lebenserwartung erscheint mir sehr arrogant, denn ich kann bloß hoffen, dass ich lange lebe. Ich habe enorme Begegnungen mit Sterbenden gehabt. Ein Satz, den ich immer wieder gerne sage: Im Sterbehospiz wird mehr gelacht als außerhalb. Heute kann ich die Dinge viel relativer sehen.

club!: Gibt es noch mehr Projekte, die Sie gerne umsetzen würden?
Meyer-Burckhardt: Im Wort „noch“ steckt immer eine Begrenzung, die man sich selber gibt. Ich habe vieles vor, zum Beispiel möchte ich im Sommer durch Alaska fahren. Sonst habe ich mir abgewöhnt, Pläne zu machen und will ein bisschen mehr so wie die großen Zen-Buddhisten eine völlig unentdeckte Zeit entdecken: die Gegenwart nämlich.

club!: Die NDR Talk Show hat gerade 35. Geburtstag gefeiert, warum ist Ihnen dieses Format, eine Konstante in Ihrer Karriere, so lieb?
Meyer-Burckhardt: Sie lernen zweimal im Monat sieben bis acht interessante Menschen kennen. Und natürlich macht der Erfolg Spaß: Wir sind auf diesem Sendeplatz die Nummer 1.

club!: Achten Sie eigentlich auf das Outfit von Barbara Schöneberger, bevor Sie auf Sendung gehen?
Meyer-Burckhardt: Ich gucke mir das sehr professionell an. Jemand, der vor die Kamera geht, muss wissen um sich, und ich finde ihren Stil gut. Manchmal sage ich: Wenn Du mich fragst, würde ich eher dieses Kleid anziehen. Auch wenn sie im Regelfall dann nicht auf mich hört.

 

Der NDR bezeichnet seinen Moderator HUBERTUS MEYER-BURCKHARDT, 57, gern als „Grandseigneur des Talks“. Doch auch wenn die meisten Zuschauer den gebürtigen Kasseler tatsächlich für seine Gastgeberqualitäten bei der NDR Talk Show lieben, hat er sich in der Branche einen Namen durch mehr als bloß einen Beruf gemacht. Der Medienprofi arbeitete vor allem als Filmproduzent, war Vorstandsmitglied der Axel Springer AG und der ProSiebenSat 1 Media AG sowie als Professor an der Hamburg Media School tätig. 2013 zog sich der zweifache Vater aus der Geschäftsführung der Produktionsfirma Polyphon zurück, um sich ganz auf das zu konzentrieren, was ihm am Herzen liegt: Filme entwickeln, die NDR Talk Show, Buchautor sein und seit Kurzem auch Moderator der Radiosendung „Meyer-Burckhardts Frauengeschichten“ auf NDR Info.

Text: Alexandra Maschewski       Fotos: Ivo von Renner