Computerspiele sind der Renner. Die Branche boomt. Das gilt ganz besonders für die GAMECITY HAMBURG. Die Stadt hat sogar ein Projekt zur Unterstützung von Spieleentwicklern ins Leben gerufen.

Hamburg mag es verspielt. Passt nicht zur eher konservativen Stadt der Kaufleute? Passt schon. Denn die Hansestadt ist mit 140 Unternehmen und insgesamt rund 4000 Mitarbeitern ein Hot Spot der Games-Branche. Und diese ist jung, lebendig und ständig im Wandel. Allein im vergangenen Jahr gab es 20 Neugründungen und ein Dutzend Neuansiedlungen zwischen Alster und Elbe. Dass sich Hamburg also „Gamecity“ nennen darf, versteht sich für alle wichtigen Akteure von selbst.

So auch für Stefan Klein, den Projektmanager der gleichnamigen und mehrfach ausgezeichneten Public-Private-Partnership „gamecity:Hamburg“ – mit mehr als 2000 Akteuren das größte regionale Netzwerk der Games-Branche in Deutschland. „Die Branche ist in den vergangenen Jahren überproportional gewachsen. Es handelt sich um einen äußerst profitablen Markt, der Arbeitsplätze schafft.“ Hamburg sei der Standort für Onlinespiele, die sogenannten Browsergames.

Das kostenlose Online-Fantasy-Abenteuerspiel „Seafight“ gehört zu den beliebtesten Games im World Wide Web. Mehr als 45 Millionen „Piraten“ haben sich schon für die Seeschlachten um Ruhm und Schätze registriert.

„Onlinespiele, egal ob auf dem PC, Mac oder Smartphone, sind definitiv der weltweit größte Trend“, sagt Khaled Helioui, Geschäftsführer des Unternehmens Bigpoint, das vor zwölf Jahren gegründet wurde und das die „Free-to-Play-Games“ in Europa eingeführt hat. Am Gänsemarkt und am Berliner Alexanderplatz arbeitet das Unternehmen, das weltweit 550 Mitarbeiter beschäftigt, an internationalen Erfolgen wie dem Rollenspiel „Drakensang Online“, dem Piraten-Action-Game „Seafight“ oder auch dem Kult-Bauernhofspiel „Farmerama“. Die kontinuierliche Weiterentwicklung bestehender Titel hat für Geschäftsführer Helioui einen besonders hohen Stellenwert. Dabei sei das Feedback derjenigen, die diese nutzen, enorm wichtig. „Das ist ein Grund für unseren Erfolg: Wir hören auf unsere Spieler“, sagt Khaled Helioui. Die Bigpoint-Community umfasst momentan immerhin rund 340 Millionen Menschen. Das Hamburger Unternehmen mit Büros in San Francisco und Istanbul will in naher Zukunft vor allem auf dem asiatischen Markt noch präsenter werden, der Fokus liegt auf China und Japan. Christian Wawrzinek, einer der Gründer von Goodgame Studios und damit verantwortlich für erfolgreiche Titel wie Goodgame Empire mit seinen momentan rund 56 Millionen Spielern, ist ebenfalls fest davon überzeugt, dass die Zukunft der Spiele ausschließlich im Netz zu finden ist: „Die Möglichkeiten werden immer vielfältiger, und es gibt immer weniger technische Hürden. Wir haben diesen Trend frühzeitig erkannt und konnten uns daher im Onlinemarkt besser positionieren als klassische Publisher.“

Spielen ist absolut lebensnotwenig, weil wir spielerisch lernen und uns mit anderen messen können.

Damit sind Verleger gemeint, die viel Geld in die Entwicklung eines Spieles investieren, das dann zu einem Preis um die 50 Euro pro Kopie auf den Markt kommt. Natürlich gibt es gigantische finanzielle Erfolge mit Titeln wie „Grant Theft Auto 5“ oder „World of Warcraft“. Trotzdem schrumpft der traditionelle Vertrieb von Spiele-CDs seit Jahren. Nicht wenige Neuerscheinungen finanzieren sich gerade so oder floppen gar. Das Thema Onlinespiele entdeckte Christian Wawrzinek 2009 zusammen mit seinem Bruder als vielversprechendes Geschäftsfeld. Gemeinsam schufen sie die Marke Goodgame Studios mit ihren momentan 900 Mitarbeitern. Schon 2020 will man zu den zehn umsatzstärksten Spieleunternehmen weltweit gehören. Ehrgeizige Pläne, doch Christian Wawrzinek ist optimistisch: „Monatlich stellen wir etwa 50 neue Mitarbeiter ein, bis Ende des Jahres möchten wir auf eine Größe von 1200 Mitarbeitern anwachsen. Unser hoher Personalbedarf folgt dabei nur unserem starken Umsatzwachstum. Wir finanzieren uns somit auch rein aus dem Cashflow und sind sehr profitabel.“ Momentan lautet auch in diesem Unternehmen die Devise „Mobile first“: Alle Titel werden zunächst für Smartphones beziehungsweise Tablets entwickelt und erst danach gegebenenfalls auch als Browserspiel verfügbar sein. Für 2014 plant Goodgame Studios drei neue Spiele.

Wer Christian Wawrzinek, selbst Jahrgang 1980, nach seiner mutmaßlich vor allem jungen und männlichen Zielgruppe fragt, bekommt eine interessante Antwort. „Wir definieren unsere Zielgruppe ja gern als 100 Prozent, denn die Begeisterung für Spiele steckt genetisch tief verwurzelt in jedem von uns. Mehr noch, das Spielen ist absolut lebensnotwendig, weil wir insbesondere spielerisch lernen und uns so auch mit anderen messen können. Spielen ist also kein Hype, sondern seit Jahrtausenden ein menschliches Grundbedürfnis.“ Jeder zweite Deutsche spiele, knapp die Hälfte davon seien Frauen. Fakten also, die Außenstehende selten vor Augen hätten, wenn es um die „Gamer-Szene“ ginge. Dabei handelt es sich schon lange nicht mehr bloß um blasse Halbwüchsige, die nicht vom Computerbildschirm wegzulocken sind, sondern um Menschen, die zum Beispiel zwischendurch gern kleinere Spiele spielen. Und niemals von sich behaupten würden, „Gamer“ zu sein. Sogenannte „Casuals“ sind absolut im Trend – man muss nur in Bus, Bahn oder Flugzeug die Augen offen halten.

Nach qualifizierten Mitarbeitern sucht das Unternehmen Goodgame Studios mit Sitz in Bahrenfeld und Zweigstellen in Japan und Korea übrigens rund um den Globus. Bewerber von Hamburg zu überzeugen, ist laut Christian Wawrzinek ein Leichtes: „Hamburg ist eine sehr attraktive Metropole. Mit der sehr guten Infrastruktur und dem einzigartigen Flair überzeugt sie viele, sich hier dauerhaft niederzulassen.“

Mit 110 Millionen Spielern gehört InnoGames zu den erfolgreichsten Entwicklern und Anbietern von Onlinespielen weltweit. Zu seinen beliebtesten Games gehören „Die Stämme“, „Grepolis“ sowie „Forge of Empire“.

Die Attraktivität der eigenen Stadt wird auch von Michael Zillmer angeführt, wenn es um Standortvorteile geht. Der 31-Jährige leitet zusammen mit den Brüdern Eike und Hendrik Klindworth das Unternehmen InnoGames. Gerade ist man von Harburg in die City Süd gezogen – mehr Fläche war nötig. 300 Menschen aus 25 Nationen arbeiten zurzeit für die drei Gründer aus Stade, in den modernen Büros in Hammerbrook ist schon einmal Platz für 500. Michael Zillmer lobt das gute Netzwerk in der Hansestadt: „Es gibt einen starken Austausch unter den Mitbewerbern. Und jede Maßnahme, die Hamburg stärkt, stärkt den Einzelnen.“ Anders als die Chefs der Goodgame Studios, haben die InnoGames-Gründer einen für die Branche nicht unüblichen Werdegang. Michael Zillmer kann sich noch gut daran erinnern, wie er als Jugendlicher seinen 486er zu Gleichgesinnten „geschleppt“ hat, um die Rechner anschließend mit Kabeln zu verbinden und gemeinsam zu spielen. Zusammen mit den Brüdern Klindworth programmierte er vor fast elf Jahren „mit nicht zu viel Aufwand“ das Spiel „Die Stämme“ und die Community wuchs rasant. „Anfangs vergaben wir sogar noch ein Passwort, das wäre heute undenkbar“, erzählt der Fachinformatiker. Die leidenschaftlichen Gamer machten dann 2007 offiziell ihr Hobby zum Beruf – das erste Büro lag noch im Gründerzentrum Stade. Heute kann InnoGames auf eine Community von mehr als 110 Millionen registrierten Spielern bauen. Und Gäste werden in der neuen Firmenzentrale in Konferenzräumen empfangen, die nach berühmten Spielen gestaltet wurden.

In „Monkey Island“ stehen rustikale Holzmöbel und über dem White Board hängt eine Piratenflagge, in „SimCity“ prangt eine bunte Tapete mit Großstadt-Skyline an der Wand. Das stets weiterentwickelte Spiel „Die Stämme“ gibt es mittlerweile in 35 verschiedenen Sprachversionen, es folgten die Strategie- Games „Forge of Empires“, 2013 als bestes Browserspiel ausgezeichnet, und „Grepolis“. Alles „Free-to-Play“-Versionen – der Umsatz wird unter anderem mit sogenannten „In-Game Purchases“ generiert, Spielvorteile, die in der Regel Cent-Beträge kosten. Die Spiele seien grundsätzlich so ausgerichtet, dass es keine stundenlangen Game Sessions gebe, sondern immer mal wieder über den Tag verteilt ein paar Minuten investiert würden. Ideen für neue Konzepte kommen von den Game-Designern, die laut Michael Zillmer nicht nur Ideenreichtum brauchen, sondern auch „gut in Mathe“ sein müssen.

Einer der Orte, an dem in der Stadt ausgebildet wird, ist die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) am Berliner Tor. Dort gibt es seit 2009 den Teilstudiengang „Games-Master“ mit 20 Studienplätzen pro Jahr und einem Vielfachen an Bewerbern, die etwa aus den Disziplinen Design, Informatik oder angrenzenden Bereichen stammen. „Neben der fachlichen Qualifikation ist es uns besonders wichtig, dass die Bewerber Teamplayer sind und Freude an der Arbeit mit anderen haben“, sagt Ralf Hebecker, Professor für Game-Design und -produktion. „Auch in den Bachelor-Studiengängen ,Media Systems‘ und ,Medientechnik‘ erstellen die Studierenden in den letzten Jahren vermehrt Games-Projekte.“ Dort studierten noch einmal etwa 20 bis 50 Leute mit direkten Games-Projekten pro Semester.

Games-Entwicklung ist heute durch spezielle Software längst nicht mehr so kompliziert wie früher.

Ralf Hebecker liebt selbst die Vielfalt seines Berufes. „Dass man einen Tag mit Leuten über automatisch generierte Dialoge nachdenkt und am nächsten versucht, den perfekten Klang für ein Unterwassermonster zu kreieren.“ Selbstverständlich werde auch viel experimentiert, dabei gehe es etwa um „Interaktion über fühlbare Sensorik oder auch interaktive Installationen im Raum“. Der Experte ist sich sicher: „Spielerische Elemente werden uns überall umgeben, sei es in unserer Kleidung, auf Hausfassaden oder auf mobilen Geräten.“ Wie und wie viel wir sie in der Zukunft ständig in unseren Alltag integrierten, sei eine andere Frage. Ralf Hebecker weiß, dass zunehmend auch neue Gruppen – Amateure etwa oder Künstler – Zugang zu dem Medium erhalten. „Games-Entwicklung ist durch Editoren und spezielle Softwares bei Weitem nicht mehr so kompliziert wie früher.“

Zur HAW gehört auch ein eigenes Gründerlabor. Neuzugang im schlichten Bürotrakt ist das dreiköpfige Team von „Osmotic Studios“ mit Daniel Marx, Melanie Taylor und Michael Kluge. Marx und Taylor sind im vergangenen Jahr in der Kategorie Nachwuchskonzept mit dem „Deutschen Computerspielpreis“ ausgezeichnet worden, Michael Kluge ist in diesem Jahr nominiert. „Groundplay“ ist der Name des ausgezeichneten Spieles, das aus einem Projekt im letzten Studiensemester hervorgegangen ist. Hauptfigur ist ein Spielzeugkater, der sich in einem recht skurrilen Kinderzimmer im Tim-Burton-Stil bewegt. „Uns geht es nicht bloß um einen Zeitvertreib, mit dem man sich kurz ablenkt“, sagt die 28-jährige Melanie Taylor. Im besten Fall solle ein Spiel zum Nachdenken anregen. So auch die neueste Idee, bei der es um das aktuelle Thema Datenspionage geht. „Das Thema Datenspionage wirft die große Frage auf, wie weit man für die Sicherheit gehen darf – und genau in diesen Konflikt zwingen wir auch unsere Spieler“, erklärt Daniel Marx.

Eingeplant hat das junge Team zwölf bis 14 Monate für die Verwirklichung seiner Idee. Genauso wichtig wie der Projekt- ist auch der Finanzplan, schließlich arbeiten alle drei in Vollzeit für ihre noch junge Firma. „Wir sind in unserem Studium immer wieder ermutigt worden, selbst eine Firma zu gründen“, sagt Daniel Marx. Laut Melanie Taylor liberalisiert sich der Markt gerade, es sei einfacher geworden, selbst zu veröffentlichen, etwa sogenannte Indie-Games. Dabei handelt es sich um weniger bombastisch produzierte Spiele, die man etwas günstiger direkt im Onlinestore kaufen kann. Das Team blickt optimistisch in die Zukunft. „Man muss mit dem Herzen dabei sein“, sagt Melanie Taylor. Denn auch, wenn es sie gibt, die unglaublichen Geschichten wie die des vietnamesischen Entwicklers, der mit seiner App „Flappy Bird“ irgendwann Tausende Dollar am Tag verdiente – Erfolg ist nicht programmierbar.

Beherzt daran arbeiten lässt sich jedoch schon. Auch Stefan Klein von gamecity:Hamburg kann sich noch gut daran erinnern, wie die „Fischköppe“ damals mit ihrem ersten Gemeinschaftsstand auf der Games Convention in Leipzig empfangen wurden. Heute, auf der gamescom in Köln, da sei der „Fischbrötchen- Empfang mit Astra“ fast schon legendär. „Wir sind eine Marke geworden.“

Text: Alexandra Maschewski
Alexandra Maschewski ist langjährige Redakteurin. Ihre Geschichten und Reportagen erscheinen in der Welt am Sonntag und im Hamburger Abendblatt. Für „Hamburg spielt“ ist sie tief in die große weite Welt der Onlinespiele eingetaucht.