Wenn die großen Schiffe auf der Elbe schippern, befällt einen das Fernweh. Hamburg und Ferne – das ist nicht nur ein Mythos. Für viele bedeutet in die Ferne reisen aber auch nach Hamburg reisen.

In Hamburg leben heißt mit der Ferne leben. Ein Weltgefühl, das zum Wesen der Stadt gehört. Hamburger werden damit geboren, zugezogene Hamburger werden davon erfasst. Das Düsenflugzeug hat das Verhältnis zur Ferne verändert. Die Ferne aber ist die Ferne geblieben. Und Ferne heißt Reisen. Ausfahrt und Heimkehr wie Ebbe und Flut. „Nimm uns mit Kapitän auf die Reise…“ In dem Film „Käpt‘n Bay-Bay“ singt Hans Albers vom „Haus an der Elbchaussee im weiten grünen Binnenland“. Das ist gut sechzig Jahre her. Doch durchweht das Aroma dieses Lieds auch noch die Hamburger Moderne und von dort in die Zukunft der Stadt hinein. Hafen-City.

Auf der Kornhausbrücke den Zollkanal überqueren. Am Dares-Salaam-Platz links abbiegen zur Shanghaiallee. Geradeaus weiter zum Buenos-Aires-Kai an der Norderelbe, die Koreastraße kreuzen, Hongkong- und Yokohamastraße, Kobestraße. Am gegenüberliegenden Ufer des Wasserzuges liegt die U-Bahnstation Überseequartier, wo die San-Francisco-Straße zum Chicago-Kai und zum Cruise Terminal hinunterführt. Hat da jemand gesagt, der alte Mythos von Ferne sei tot? Umgebracht von Massentourismus und Google Earth? Seit ewigen Zeiten werden in Namen Gefühle und Begriffe bewahrt. Gewandelt hat sich indessen die Welt, die diesen Mythos übernommen hat. Doch weder die immer dichtere globale Vernetzung noch die Geschwindigkeit auf den Informationskanälen, auf denen acht Stunden Zeitunterschied zu einem Mausklick zerfallen, haben das Reisen, nein, mehr noch, die Erregung des Reisens abgeschafft.

Zwischen dem Dröhnen der Dampfhämmer in der HafenCity, dem Kreischen der Kräne, dem Flüstern der Blattschreiber in Reedereibüros, Handelsgesellschaften, dem Summen elektronischer Kommunikationssysteme, den lautlosen Modulen, in denen sich Welten bewegen, hört man plötzlich den Urschrei der Ferne: das Signalhorn eines Kreuzfahrtriesen und direkt über seinem Kopf das Gezänk der Silbermöwen. Und durch alles zieht sich das alte, von Käpt‘n Bay-Bay besungene Aroma eines Hamburger Lebens: „…rochen nachts im Bett noch nach Teer. Wir heuerten am Waschfass an, wollten hinaus aufs Meer.“ Als Namenspatron hat es Hans Albers in der Schifffahrt lediglich bis zu einem Hadag-Dampfer gebracht. Im Eisenbahnverkehr gehört er als Eurocity Night „EN 491 Hans Albers“ zum Streckennetz eines der drei verkehrsreichsten Bahnhöfe in Deutschland und fährt vom Klosterwall in gut zwölf Stunden durch die Nacht bis nach Wien. Das Streckennetz der Eisenbahn ist nach der Elbe der zweitälteste Reiseweg von Hamburg in die weite Welt.

Für jeden Weg, jedes Land, jede Weltgegend findet man in der Hansestadt die geeigneten Touristikfachleute. Schiffsreisen, Flugreisen, Eisenbahnreisen, Busreisen, Reiterreisen, Musikreisen… Spezialisten für Afrika und Safari, für Nord- und Südamerika, Australien, China, Mauritius, Alaska oder für Reisen mit der Transsibirischen Eisenbahn – ein Katalog von Anbietern und Experten, der die Gelben Seiten in allen Farben des Regenbogens schillern lässt.

Der jüngste Reiseweg, der das Verhältnis zur Ferne und damit auch das Reisen selbst veränderte, verbindet Hamburg über rund sechzig Fluggesellschaften weltweit direkt mit 115 Zielen. „Einmal noch nach Rio, einmal nach Hawaii“, wie Hans Albers alias Käpt‘n Bay-Bay sang, gilt auch heute noch. Allerdings mit einmal umsteigen. Nach New York hingegen geht es direkt. „Durch den Suez und durch den Panama“, wie es im Lied heißt, muss jedoch heute niemand mehr auf seiner Reise in den Orient oder nach San Francisco.

Einmal aber kommen wir alle zurück. Ob mit dem Auto von der A1 über die Elbbrücken, über die Landebahn in Fuhlsbüttel, mit dem Zug – das Hamburg-Heimkehrgefühl wird immer noch geprägt von Elbe und Hafen, wo das besondere Verhältnis der Stadt zur Ferne entstanden ist. Und wie es Käpt‘n Bay-Bay besungen hat: „…nimm mich mit Kapitän aus der Ferne, bis nach Hamburg, da steige ich aus.“

MARJANA VON BERLEPSCH

Schmuckdesignerin
In meiner Kindheit bin ich gar nicht so viel verreist. Das kam erst später, als ich als Stylistin für die Vogue gearbeitet habe. Manchmal saß man da wochenlang in den USA herum, aber ich habe immer versucht, etwas von diesen neuen Orten mitzunehmen. Habe mich umgeschaut, auch abseits der üblichen Wege. Habe es immer wieder gewagt, auch einmal um die Ecke zu schauen. Und tatsächlich war dahinter immer eine Überraschung, ein ganz besonderes Erlebnis verborgen. Heute liebe ich es, wenn mein Beruf mich nach Indien bringt. Immer habe ich Kontakt zu den Menschen, die dort leben und arbeiten. Wenn es geht, bin ich auch gern mit dem Rad unterwegs. Besonders kann ich mich für das Handwerk begeistern, bringe mir von meinen Reisen immer wieder schöne handgemachte Taschen als Mitbringsel mit. Meine aktuelle große Liebe ist Istanbul. Dieses Zusammentreffen von Orient und Europa fasziniert mich. Und auch in meiner Lieblingsstadt gilt: Wenn man auf Reisen ist, hat man plötzlich die Zeit, die man im Alltag nicht hat.Oder die man vielleicht einfach nicht wahrnimmt? Belohnt wird man mit Details. Und am Ende wartet immer die Inspiration.

HANNELORE HOGER
Schauspielerin
Reisen bedeutet für mich Ferien und Entspannung. Aber auch: Neugierde befriedigen. Dafür bin ich mit der Bahn, mit dem Flugzeug und häufig auch mit dem Fahrrad unterwegs. Mein Lieblingsziel sind die nahen Schönheiten wie die Inseln Sylt oder Rügen. Ich möchte aber auch gern einmal nach Kuba oder China reisen. Leider werde ich oft bestohlen. Und da bleibt es nicht nur bei der Handtasche. Eingebrochen wurde bei mir während des Urlaubs auch schon. Bei einem Aufenthalt in Rom habe ich selbst einmal meine Handtasche im Ristorante liegen gelassen. Aber die habe ich zum Glück wieder zurückbekommen.

MICHAEL EGGENSCHWILER
Geschäftsführer Flughafen Hamburg
Was für mich am Reisen das Schönste ist? Selbstverständlich der Flug. Ich mag es, die Welt von oben zu sehen. Und ich genieße es sehr, meine Ruhe zu haben. Sobald das Flugzeug in der Luft ist, beginnt der Urlaub. Auch auf Langstreckenflügen kann ich prima entspannen. Mein absolutes Highlight war ein Flug mit der Concorde über den Nordatlantik. Das ist bestimmt 25 Jahre her. Wir waren so hoch oben, dass man sogar die Erdkrümmung erkennen konnte! Bereist habe ich immer besonders gern die USA. Ich schätze die Abwechslung von Landschaft und Stadt – einmal die unendlichen Weiten, dann wieder Metropolen wie New York. In der Regel bereite
ich mich vor, habe recht genaue Pläne, was ich sehen will. Wenn ich welche entdecke, bringe ich gern Bildbände über die besuchten Städte und Regionen mit nach Hause. Fotos mache ich außerdem, aber ich komme nie dazu, sie wirklich zu sortieren. Das hat noch Zeit. Vor Ort bin ich übrigens am liebsten zu Fuß unterwegs. Und wenn die Möglichkeit besteht, einen Kirchturm oder ein Hochhaus zu besteigen, dann zögere ich nicht lang. Denn da ist er dann wieder, dieser unvergleichliche Blick von oben.

CHRISTOPH RÜFFER
Chefkoch Vier Jahreszeiten
Ich habe Glück: Der Kochberuf ist natürlichprädestiniert fürs Reisen. Während meiner Lehr- und Wanderjahre habe ich kurz in Dubai, aber auch in Singapur gearbeitet. Nun bin ich für das Vier Jahreszeiten immer wieder als Gastkoch in der Welt unterwegs. So wie vor sechs Jahren in Kenia, wo uns die einheimischen Kollegen nicht nur mit auf den Local Market, sondern auch in ihre Familien genommen haben. Das soziale Gefälle in diesem wunderschönen Land hat mich damals sehr betroffen gemacht. Aber auch solche Erfahrungen gehören dazu, wenn man einen Blick hinter die Kulissen wirft. Im Urlaub mit meiner Familie bin ich vor Ort immer gern zu Fuß unterwegs. Wie oft habe ich so schon Besonderes entdeckt – natürlich auch Restaurants. Ich liebe es übrigens, Gewürze von meinen Reisen mitzubringen: Senfpulver aus London, Zitronenmyrte aus Dubai, Piment d‘Espelettes oder Thymiansalz aus Frankreich. Mit diesen kulinarischen Souvenirs experimentiere ich später in meiner Hamburger Küche. Bald kommt sicher etwas Neues dazu – beruflich geht es als Nächstes nach Bangkok.

JOHANNES STRATE
Revolverheld
Ich habe meinen Urlaub schon bis zum Frühjahr 2016 durchgeplant. Mallorca im Frühjahr, Teneriffa im Herbst – darüber freut sich auch unser zweijähriger Sohn. Und im Sommer definitiv Spiekeroog, die Insel meiner Kindheit. Das wird ein richtiges Familientreffen mit offenen Türen. Herrlich chaotisch! Und trotzdem die richtige Erholung vor dem großen Revolverheld-Abschlusskonzert am 19. 8. auf der Trabrennbahn. Wenn Emil etwas größer ist, möchte ich ihn in die USA mitnehmen. Mich haben so viele Musikerfreunde eingeladen, die Teil unseres internationalen Benefiz-Projektes „Feels like home“ sind – nicht nur die, die bei der aktuellen Tour im März in Hamburg auftreten. Ich bin selbst viel gereist mit meinen Eltern. Das hat mir früh klar gemacht: Es gibt nichts Spannenderes als andere Kulturen und Denkweisen! So ist eines meiner Ziele nicht nur Australien, sondern vor allem, meinem Sohn genau diese Weltoffenheit mit auf den Weg zu geben.

EMMANUEL PETERFALVI ALIAS ALFONS
Comedian
Als Kind wollte ich unbedingt Bauer werden. Beim Urlaub in der Provence bat ich meine Mutter, einen Nachmittag auf dem Hof helfen zu dürfen, auf dem wir unseren Käse kauften. Damals war ich neun Jahre alt – heute sind jene Menschen so etwas wie meine zweite Familie. Vergangenen Sommer konnte ich erstmals nicht bei der Lavendelernte helfen. Weil ich mit Frau und Kindern einen Monat mit dem Wohnmobil durch die USA gefahren bin. Ich liebe die Art zu Reisen, ein bisschen wie ein Nomade. Man zieht die Handbremse und entscheidet spontan: Heute ist das hier mein Wohnzimmer. Wenn ich den Kopf einmal ganz frei bekommen möchte, wandere ich allein in Frankreich, dort, wo man möglichst niemanden trifft. Mit nur dem Nötigsten auf dem Rücken bin ich bis zu zehn Stunden am Tag unterwegs. Ein Teil von mir braucht diesen Kontakt mit der Natur.

FREDERIK BRAUN
Geschäftsführer Miniatur Wunderland
Ich berichte gern von meinen Reisen, zeige Freunden begeistert Fotos auf dem Smartphone. Besonders viel habe ich damals von Panama erzählt. Wie wir weitergeflogen sind auf eine kleine Inselgruppe, die ausschließlich von einem Indianerstamm bewirtschaftet wird. Dessen Mitglieder haben uns dort gezeigt, was sie für sehenswert hielten. Das hatte nichts mit herkömmlichem Tourismus zu tun und nach drei Tagen waren wir uns sicher: Wir hätten auch drei Monate bleiben können! Dabei bin ich gar nicht festgelegt: Ich liebe Städte und Natur, habe wunderschöne Tage auf den Malediven verbracht und auf einem Antarktis-Expeditionsschiff Dinge gesehen, die ich mein Leben lang nicht vergessen werde. Nur eines ist sicher: Mir wird schnell langweilig. Ich weiß noch ganz genau, wie wir drei Jungs früher mit unserem Vater Männerurlaub im Wohnmobil gemacht haben. Wir waren in Südfrankreich unterwegs, sind verrückte Straßen gefahren, haben in wilden Flüssen gebadet – das habe ich geliebt. Heute habe ich einen Traum: Ich will Polarlichter sehen! Einmal habe ich deshalb sogar spontan mit einem Freund einen Flug nach Tromsø genommen – und dann war es bewölkt.

 

 Text: Uwe Prieser