GUNTHER BONZ ist Präsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg. Im Interview spricht der frühere Staatsrat der Behörde für Wirtschaft über die Perspektiven in der Hamburger Hafenwirtschaft.

GUNTHER BONZ, 55, war über 20 Jahre in unterschiedlichen Positionen der Hamburger Wirtschaftsbehörde tätig. Von 2004 bis 2008 war der studierte Jurist maßgeblich an der Entwicklung des Hamburger Hafens beteiligt und er gilt als anerkannter Kenner der Hafenwirtschaft. Seit Juni 2009 ist er Generalbevollmächtigter bei der Eurogate-Holding. Im Oktober vergangenen Jahres wurde Bonz zum Präsidenten des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg gewählt. Außerdem vertritt er als Präsident des europäischen Verbandes Feport die Interessen von rund 1000 angeschlossenen Hafenbetreibern.

club!: Herr Bonz, Eurogate wird in diesem Jahr in Wilhelmshaven Deutschlands einzigen Tiefwasser-Containerterminal in Betrieb nehmen. Müssen wir uns um die Zukunft des Hamburger Hafens Sorgen machen?
Gunther Bonz: Wilhelmshaven ist keine Konkurrenz für Hamburg. Wilhelmshaven, Bremerhaven und Hamburg haben alle ihre eigenständige Funktion. Ein Drittel der Waren, die hier in den Hafen kommen, werden in der Metropolregion Hamburg verbraucht. Egal was passiert, solange wir eine wirtschaftlich prosperierende Region sind, braucht man Schiffe, die die Waren herbringen. Das kann man nicht mit dem Flugzeug, dem LKW oder der Bahn machen, denn das ist zu teuer und nach Übersee können keine Bahn und kein LKW fahren.

club!: Welche Vorteile hat der Hamburger Hafen noch zu bieten?
Bonz: Rund 20 Prozent der Warentransporte gehen von Hamburg aus über den Nord-Ostsee-Kanal in die Ostseeregion. Das ist schnell, effizient und kostengünstig. Hamburg ist sozusagen der westlichste Ostseehafen. Wenn Reeder mit großen Schiffen Container nach Hamburg bringen, dann nehmen sie auch die mit, die von hier aus in Richtung Ostsee weiter bis nach Skandinavien, Russland oder ins Baltikum transportiert werden sollen.

club!: Für wen ist Wilhelmshaven ein Konkurrent?
Bonz: Zum Beispiel für Rotterdam, weil der Weg für Transporte ins Ruhrgebiet von Wilhelmshaven aus kürzer ist. Das neue Eurogate- Terminal in Wilhelmshaven ist kleiner als das in Hamburg. Dies kann zur Zeit vier Millionen Container pro Jahr umschlagen. Es ist geplant, hier die Kapazität auf sechs Millionen auszubauen. Wenn wir die Terminals von der HHLA hinzurechnen, dann hat Hamburg in den nächsten zehn Jahren eine Kapazität von 20 bis 25 Millionen – ausreichend für die Zukunft.

club!: Viele Hafenbetreiber klagen über die unzureichende Infrastruktur für den Straßenverkehr ins Hinterland. Es fehlt eine optimale Verbindung von der A7 zur A1 und die Köhlbrandbrücke ist ebenfalls ein Engpass für den Transportverkehr.
Bonz: Es stimmt, beim Straßennetz gibt es Engpässe. Vor allem, weil die Unterhaltung bestehender Brücken in den letzten 20 Jahren vernachlässigt wurde. Die Köhlbrandbrücke ist das beste Beispiel. Die Behörde musste ein LKW-Überholverbot aussprechen, weil die Brückenpfeiler sonst den Belastungen auf Dauer nicht standhalten. Das ist mit vielen Brücken so. Eigentlich ist das Verkehrsnetz gut. Wenn aber viele Brücken die Lasten nicht mehr tragen können, haben wir ein Problem.

club!: Das heißt, es müssten erst alle Brücken saniert werden, ehe man an Neubauten denkt?
Bonz: Zuerst muss das bestehende Netz saniert und funktionsfähig erhalten werden, zudem müssen die fehlenden Anschlussstrecken wie die Hafenquerspange gebaut werden. club!: Stichwort Elbvertiefung. Wie wichtig ist die Vertiefung der Fahrrinne für den Hamburger Hafen?
Bonz: Sie ist dringend erforderlich, damit die neuen großen Schiffe Hamburg anlaufen können. Die Reeder haben die großen Schiffe bestellt, weil sie kostengünstiger zu betreiben sind. Die Transportpreise sind im Verhältnis immer niedriger geworden, sonst wäre die Globalisierung gar nicht möglich gewesen. Im übrigen haben die großen Schiffe mit 14 000 Containern, bezogen auf den Transport eines Containers von Asien nach Europa, eine viel bessere ökobilanz als die jetzigen mit 5000 oder 8000 Containern.

club!:…obwohl sie mit dem schweren, umweltverschmutzenden öl fahren?
Bonz: Die neu gebauten Schiffe haben moderne Maschinen und sind im Verbrauch deutlich effizienter. Es entsteht im Verhältnis pro Transportkilometer ein geringerer Energieverbrauch, wenn man mehr Behälter auf einem größeren Schiff transportiert, anstatt weniger Container auf einem kleineren Schiff. Insofern ist die Ökobilanz bei großen Schiffen viel günstiger als bei den kleineren. club!: Warum dauert es so lange, bis die Genehmigung für die Elbvertiefung erteilt wird? Bonz: Die Genehmigungsverfahren in Deutschland sind die längsten der Welt. Ob es die Vertiefung der Außenweser ist, der Ausbau des Frankfurter Flughafens oder Stuttgart 21 – es dauert zu lange. Wenn die Politik, also Bund, Hamburg und die Nachbarländer mit ihrer Mehrheit sagen, dass sie die Fahrrinnenanpassung der Elbe unbedingt wollen, und es nur noch um Details geht, lassen wir uns einfach zu viel Zeit.

club!: Wie geht es jetzt weiter?
Bonz: Ich gehe davon aus, dass die Einvernehmen der Nachbarländer im zweiten Quartal des Jahres vorliegen werden. Dann wird es wohl ein Gerichtsverfahren geben, weil die Umweltverbände bereits angekündigt haben zu klagen. Ich hoffe, dass Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres mit der Maßnahme begonnen werden kann.

club!: Sind andere Länder schneller mit solchen Entscheidungen?
Bonz: Die Holländer sind in den Genehmigungsverfahren schneller. Dort gibt es keine Umweltverbände, die bereits vor Vorliegen einer Genehmigung ankündigen, in jedem Fall gegen die Maßnahme Klage erheben zu wollen. Mir ist kein größeres Infrastrukturprojekt in Norddeutschland bekannt, welches hiesige Umweltverbände unterstützt haben. Selbst die Elektrifizierung der Bahnstrecke Hamburg-Kiel ist damals von einem Umweltverband beklagt worden. Das gibt es in keinem Land der EU. club!: Das bedeutet, dass Frankreich, Belgien oder die Niederlande bei diesen Verfahren immer mindestens ein Jahr sparen? Bonz: Da die Verfahren dort zudem nicht so in die Tiefe gehen, dauern sie auch nicht so lange wie bei uns.

club!: Entstehen den deutschen Häfen dadurch konkrete Nachteile?
Bonz: Wir sind langsamer in der Erstellung der Infrastruktur und haben dadurch auch erhebliche Kostennachteile. In Deutschland ist der Autobahnkilometer durch die Bautechnik und die komplexen und langen Genehmigungsverfahren am teuersten. Ein Kilometer kostet 30 Millionen Euro – das ist im Schnitt der teuerste Autobahnkilometer in Europa.

club!: Und wann wird die Elbe so weit sein, dass die großen Containerriesen Hamburg anlaufen können?
Bonz: Im ersten halben Jahr nach Beginn der Maßnahme soll recht zügig ein guter halber Meter verfügbar sein. Insgesamt soll es bis zum Abschluss der Baumaßnahme 21 Monate dauern.

club!: Wie tief wird die Fahrrinne ausgebaggert?
Bonz: Sie muss einen Meter tiefer werden, um den neuen Lasteseln der Weltwirtschaft im Transportwesen in den nächsten Jahren die Anlauf- und Auslauffähigkeit des Hafens zu geben. Selbst dann können die Schiffe nur mit der Flutwelle in den Hafen hinein und mit der entsprechenden rückwärtigen Welle aus dem Hafen wieder heraus.

club!: Können die Terminals bei steigenden Containerzahlen weiter ins Hinterland ausgedehnt werden?
Bonz: Wir haben hier mit den geplanten Ausbaustufen an den vorhandenen Terminals flächenmäßig und mit der Abwicklung in Zukunft kein Problem. Es liegt eher an der Infrastruktur im Hinterland. Für die Fachleute ist das Hinterland der „Bottleneck“. Wer die beste Hinterland-Infrastruktur hat, der gewinnt.

club!: Wird sich die Arbeit an den Terminals verändern, wenn in Zukunft die riesigen Schiffe an den Kais festmachen?
Bonz: Wir werden tendenziell weniger Einzelschiffsanläufe haben, aber die Schiffe, die ankommen, sind größer und bringen dann entsprechend mehr Waren mit. Das hat auch für ein Terminal große Auswirkungen. Der Arbeitsfluss wird von größeren Schwankungen gekennzeichnet sein.

club!: Also eine Zeitlang alle Kräne im Einsatz, dann einige Stunden kein Betrieb?
Bonz: Arbeitsspitzen können sich verändern. Die Mitarbeiter im Hafen arbeiten schon heute an 360 Tagen im Jahr rund um die Uhr. Zu bestimmten Zeiten können künftig größere Arbeitsspitzen durch die größeren Containerschiffe entstehen, zu anderen Zeitpunkten auch weniger. Größere Schiffe haben auch Auswirkungen auf Lager- und Stauflächen, wenn diese auf einmal 8000 Boxen schnell aufnehmen und abfließen lassen müssen. Und es hat Auswirkungen auf den LKW- und Bahnverkehr.

club!: Ist der Hafen für den Wettbewerb in der Zukunft gerüstet?
Bonz: Ja. Wir Deutschen neigen dazu, zu sagen: „Das Glas ist halbleer“. Der Holländer sagt: „Da ist noch eine Menge drin“. Natürlich sind wir wettbewerbsfähig. Wir sind hochflexibel, wir haben sehr gute Mitarbeiter. Es hat in den letzten zehn Jahren keinen Streik gegeben. Der Hafen ist verlässlich, hat eine hohe Qualität und ist sehr kundenorientiert. Es gibt einen sehr guten Informationsfluss und unsere Hinterlandabwicklung ist trotz aller genannten Herausforderungen leistungs- und wettbewerbsfähig. Hamburg hat 2011 einen neuen Rekord mit dem Transport von 2,1 Millionen Containern über das Schienennetz erreicht – auch ein ökologischer Erfolg, den in dieser Anzahl kein europäischer Hafen erreicht. Wir haben schon unsere Vorteile, sonst wären wir im Wettbewerb nicht so gut. Doch wir müssen uns weiter verbessern.

Text: Andreas Eckhoff, Achim Schneider