Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardin war eine der ersten großen Unternehmerinnen der Moderne. Mit ihrem Champagner VEUVE CLICQUOT eroberte die Zeitgenossin Napoleons Russland und die Welt und revolutionierte mit einer Erfindung die Herstellung ihres geliebten Getränks.

Es war im Jahr des großen Kometen, der im September für jedermann sichtbar über den Nachthimmel zog. In den Weinbergen der Champagne ging die Traubenlese ihrem Ende entgegen und Madame Clicquot hatte jedes Recht, in dem Kometen ein Zeichen des Himmels zu sehen.
Sie hatte wieder einmal die richtige Eingebung gehabt. Wie bei der Wahl der Weinberge, die sie nach und nach aufgekauft hatte und die, wie sich herausstellte, sämtlich zu den allerbesten Lagen der Champagne gehörten. Wie im vergangenen Jahr, als sie auf die Idee gekommen war, einen Jahrgangs-Champagner zu kreieren, der sich ausschließlich aus den Trauben eines einzigen Jahrgangs zusammensetzte.
Jetzt, nur ein Jahr später, perlte ihr mit der außergewöhnlichen Qualität der Weinlese des Jahrgangs 1811 die Verheißung eines großen Champagners entgegen. Sie seufzte: Russland. Mit diesem Champagner würde sie Russland erobern. Sie seufzte noch einmal, weil sie an die Kontinentalsperre dachte, mit der Napoleon jeden Handel in Europa unterbunden hatte.
Hundert Kilometer entfernt in Paris verfolgte ein Mann die leuchtende Bahn des Kometen und dachte ebenfalls: Russland. Mit der jungen Unternehmerin Barbe-Nicole Clicquot, geborene Ponsardin, hatte er einige Charaktereigenschaften gemein. Entschlossenheit, Mut, visionäres Denken. Doch er seufzte nicht bei dem Gedanken an Russland. Ein Napoleon seufzt nie. Vielmehr nahm er den Kometen als gutes Omen für seinen Russlandfeldzug im nächsten Jahr. Er würde Russland erobern.
Drei Jahre später bereitete Napoleon im Exil auf Elba seine Flucht und den letzten großen Feldzug vor. „Veuve Clicquot“ aber, die Witwe Clicquot, hatte mit ihrem Kometen-Champagner Russland erobert. In einer tollkühnen Aktion und mit strategischer Raffinesse, die beide selbst Napoleon zur Ehre gereicht hätten, umging sie 1814 das Handelsverbot und schickte eine Schiffsladung von 10550 Flaschen Veuve Clicquot nach St. Petersburg.
Es war eine Art „Russisches Roulette“. Wäre die Champagnerfracht entdeckt worden, hätte es sehr wahrscheinlich das Ende des Weinhauses Clicquot bedeutet, das 1772 von ihrem Schwiegervater Philippe Clicquot gegründet worden war. Seit dem frühen Tod ihres Ehemanns Francois Clicquot im Jahre 1805 leitete sie das Familienunternehmen. Die erste Frau an der Spitze eines internationalen Geschäftsimperiums. Anfangs gegen viele Bedenken, nicht zuletzt ihres Schwiegervaters, schließlich war sie erst 27 Jahre alt gewesen.
Veuve Clicquot eroberte nicht nur den Zarenhof, sondern den gesamten russischen Adel. In kyrillischer Umschrift wurde „Klikofskoje“ zum Begriff für Eleganz, Geschmack, Stil, Lebensart. Ein Genuss für jedes Temperament, wie das Beispiel der großen Dichter bewies. Puschkin, leidenschaftlich und klar, der melancholische Gogol, Tschechow, der Skeptiker – sie alle liebten ihren „Klikofskoje“.
Als die Baronesse Barbe-Nicole Ponsardin aus Reims 1798 Francois Clicquot heiratete, bereitete sich gerade das Ende der Französischen Revolution vor und mit ihm der Aufstieg Napoleons. Achtzehn Jahre später inszenierte sie, längst zur „La Grande Dame de Champagne“ erklärt, ihre eigene französische Revolution. Im Champagnerglas.
Es ging, wie immer, um Perfektion. „Unsere Weine sollen sowohl dem Gaumen als auch dem Auge schmeicheln.“ Bei der Flaschengärung entstand unglücklicherweise ein Bodensatz abgestorbener Hefe. Erst wenn diese trüben Hefeteilchen herausgefiltert würden, gäbe es einen Champagner, golden und klar wie das Sonnenlicht. Aber wie? Madames Intuition war mal wieder gefragt.
Sie führte zu einer Anzahl Löcher, die sie in ihren Küchentisch sägen ließ, um die Weinflaschen kopfüber statt waagerecht zu lagern. Wochenlang drehte sie täglich die Flaschen, klopfte sacht gegen ihren Boden und – es geschah! Die Hefepartikel lagerten sich nun im Flaschenhals ab und konnten beim Degorgieren als Depot entfernt werden, ohne die Perlage zu beeinträchtigen. „Remuage sur purpitre“ – das Rüttelpult war erfunden.
Heute wird der Rüttelvorgang automatisch oder halbmanuell ausgeführt. Nur nicht bei der Cuvee „La Grande Dame“! 1972 erschien sie zum 200-jährigen Bestehen von Veuve Clicquot zum ersten Mal. Ein Jahrgangswein, in den ausschließlich die Trauben von Spitzenlagen fließen, die Madame Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardin einst selbst auswählte. Und auch nur dann produziert, wenn der Kellermeister die Lese der Saison für so gut befunden hat, dass sie ihren Ansprüchen genügt hätte. A votre immortalité, Madame!

 

Text: Uwe Prieser Fotos: Veuve clicquot