Im Business ist er der Mann, der immer klare Kante fährt. Doch BERND-GEORG SPIES blickt auch über den geschäftlichen Tellerrand hinaus, sitzt im Beirat der Obdachlosenzeitung Hinz und Kunz(t) und kümmert sich um Menschen, denen es weniger gut geht. Credo: Nie die Bodenhaftung verlieren.

Im Hauptberuf ist Bernd-Georg Spies Headhunter. In seiner Freizeit kümmert sich der Vizepräsident des FC. St. Pauli um die Geschicke des Kiezclubs.

Es mag ja Leute geben, die können sich das nicht vorstellen. Dass ein Headhunter, jemand, der Führungskräfte mit einem Jahresgehalt von 150 000 Euro aufwärts vermittelt, seine soziale Verantwortung „nicht am Kleiderhaken abgibt“, wie es Dr. Bernd-Georg Spies, 58, gerne sagt. Spies arbeitet auch noch für eine amerikanische Firma und die meisten amerikanischen Firmen haben ja den Ruf, mit ihrer Wirtschaftsliberalität auf die Sorgen der Menschen relativ wenig Rücksicht zu nehmen, weil der Profit das Wichtigste ist. Glaubt man dem Diplom-Ökonomen Spies, ist das bei Russell Reynolds Associates ein Stück weit anders. Der Betrieb, der weltweit (nur Afrika fehlt bislang) 41 Büros mit etwa 1000 Mitarbeitern hat, legt Wert auf Leute, die gesamtgesellschaftlich denken und Krisen auch als Chance begreifen. Sowohl bei den eigenen Mitarbeitern als auch bei jenen, die man weitervermitteln will.

Das Büro im obersten Stockwerk am Fleethof an der Stadthausbrücke ist natürlich gediegen. Englisches Flair, eher Upper Class. Spies arbeitet seit 1997 für Russel Reynolds und zählt zu jenem elitären Kreis, der Mitbesitzer ist, weil er einige Aktien des Unternehmens hält. Wenn er den Leuten auf den Zahn fühlt, sucht er vor allem Menschen mit Mut und ungewöhnlichen Gedanken. Leute, die nicht nur in alten Strukturen denken, sondern sich auch neue Visionen erlauben. Zum Beispiel, dass die Automobilindustrie sich vielleicht darauf einstellen muss, in 15 Jahren wesentlich weniger PKWs zu verkaufen, weil sich immer mehr Leute Autos leihen oder teilen. „Man muss“, sagt Bernd-Georg Spies, „in Brüchen denken“ und sich auch mal „von der Planungssicherheit verabschieden“.

Viele Stunden dauert so ein Dialog mit einem Anwärter meist. Spies hat sich auf das Gebiet Energiewirtschaft spezialisiert, da geht es um Arbeitgeber wie lokale Stadtwerke, internationale Gasversorger, Windanlagen-Hersteller oder Photovoltaik-Betreiber. Mal in China, mal in Prag, mal in Russland, aber auch in Hamburg. Spies ist bekannt dafür, dass er seinen Gesprächspartnern hinterher ein deutliches Feedback gibt, also klare Kante zeigt. Besonders, wenn jemand nach seiner Meinung nicht optimal für den angestrebten Job geeignet ist. Dass Spies in diesem weltweit agierenden Unternehmen Karriere machte, hat wohl auch damit zu tun, dass er nicht besonders deutsch tickt. Der deutsche Manager gilt international oft als unflexibel, hat er gelernt. Die meisten beginnen, anders als in anderen Ländern, einen Vortrag eher mit einer Gliederung als mit einem Witz.

Bernd-Georg Spies hat dreieinhalb Jahre in London gelebt. Er hat sich Anfang der achtziger Jahre im Auftrag eines sozialen Forschungsprojektes mit der Armut in England befasst – einem England, in dem viele Menschen im Zuge der harten Thatcher-Politik durch den Rost fielen. Und so ist es auch kein Wunder, dass er beim Marsch durch die Institutionen – er war auch mal Referent beim Deutschen Gewerkschaftsbund – den Blick für die unterschiedlichen Bereiche der Gesellschaft nie verloren hat. Das „Hamburger Abendblatt“ hat ihn deshalb als „Macher zwischen Krawatte und Totenkopf“ bezeichnet. Denn das Herz des sportbegeisterten Ökonomen hat sich für den FC St. Pauli entschieden und nicht für den Hamburger SV. Und das, obwohl dessen VIPLogen bestimmt bessere Kontaktbörse wären als die des bescheideneren Nachbarn mit dem linkeren Publikum.

Seit 2007 ist er sogar Vizepräsident beim FC, was auch in seinem Arbeitszimmer zu sehen ist. Dort hängt unter anderem das Bild des Künstlers Ingo Fischer mit der Zeile „Niemand siegt am Millerntor“. Obwohl Bernd-Georg Spies durchaus eitel ist, eine Vorliebe für klassische Armbanduhren hat und dem Kapitalismus manche gute Seite abgewinnt („In China und Brasilien sind durch den Aufschwung zuletzt viele Menschen aus der Armut herausgewachsen“), möchte er die „Seele des Vereins nicht verlieren“. Da werden Werte gelebt, sagt er. Auch wenn die anti-kapitalistischen „Sozial-Romantiker“ ihre Anliegen oft sehr aggressiv vorbringen. Dem FC St. Pauli geht es längst viel besser als in den Jahren, wo immer einmal wieder die Insolvenz drohte. Wohl auch, weil der frühere Präsident Corny Littmann den zwischenzeitlich die 3. Liga abgestiegenen Klub erst kapitalismustauglich gemacht hat.

Doch noch immer geht es Bernd-Georg Spies, der im Beirat der Obdachlosenzeitung „Hinz und Kunz(t)“ sitzt, auch um jene Menschen, denen es weniger gut geht. Auch in diesem Jahr wird seine Firma im Herbst wieder etwas tun für Leute, die in der Gesellschaft weiter unten angesiedelt sind. Vielleicht wird man an einer Schule in Wilhelmsburg mit dem Farbeimer anrücken und Wände und Türen streichen. Vielleicht wird man im eher armen Stadtteil Jenfeld Jugendlichen und Jung-Erwachsenen einen Tag beibringen, wie man einen Lebenslauf gut gestaltet oder wie man Bewerbungen so schreibt, dass sich ein Unternehmen für den Absender interessiert. „Man soll“, sagt der Manager Spies, „nicht die Bodenhaftung verlieren.“

Diese spezielle Mischung, zwei Seelen in einer Brust zu haben, hat Bernd-Georg Spies wohl von seinen Eltern mitbekommen. Die Mutter, eine Ur-Berlinerin, habe ihm die preußische Disziplin beigebracht. Vom Vater, einem Ur-Kölner, habe er gelernt, „dass man beim richtigen Anlass auch richtig feiern soll“.

 

KONTAKT
Russell Reynolds Associates
Stadthausbrücke 1-3/Fleethof
20355 Hamburg
Tel: 040 48 06 61-0
bernd-georg.spies@russellreynolds.com
www.russellreynolds.com

 

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Text: Jörg Marwedel Foto: Martina van Kann