Seit vergangenem Sommer ist DIETMAR BEIERSDORFER Vorstandsvorsitzender des Hamburger SV. Seitdem versucht er, den aus den Fugen geratenen Traditionsclub wieder in Form zu bringen – sportlich, wirtschaftlich und kulturell. Eine heikle Mission.

Aus der Wand hängen lose Steckdosenschalen, die neu gezogenen Wände sind Gerippe aus Stahl und die Fenster sind mit blauen Plastikfolien verhängt. Nach wenigen Schritten überzieht grauer Kalkstaub die dunkelbraunen Wildlederschuhe. „Unsere große Baustelle“, sagt Dietmar Beiersdorfer. „Hier stand alles unter Wasser. Deshalb müssen wir es jetzt komplett neu bauen.“ Dietmar Beiersdorfer, 51, seit vergangenem Sommer Vorstandsvorsitzender des Hamburger SV, zeigt den neuen Mannschafts- und Behandlungsbereich in der demnächst wieder Volksparkstadion genannten Arena, aber eigentlich könnte er auch das ganze Unternehmen meinen. Auch der HSV ist – eine Baustelle.

Die Erfolge der Mannschaft bewegen sich weiter am Existenzminimum. Die finanziellen Möglichkeiten sind überschaubar. Neue Investoren sind noch nicht in Sicht. Und nach der Ausgliederung der Profis aus dem Gesamtverein ist Beiersdorfer als Mediator gefragt, um jene Mitglieder wieder hinter sich zu bringen, die diese Idee nicht ganz so toll fanden. „Dieser Club braucht Identität, Richtung und Kultur“, sagt der Vorstandsvorsitzende.

Beiersdorfer könnte genau der richtige Mann am richtigen Platz sein. Seine ruhige Art, sein diplomatisches Geschick, sein Fachwissen, all das könnte ihn zum Glücksfall für den HSV machen. Gleich nach seiner Karriere hat Beiersdorfer ein Betriebswirtschaftsstudium begonnen. Ein ungewöhnlicher Schritt für einen ehemaligen Profi; nicht für ihn. „Ich finde, man sollte die Türen im Leben immer einen Spalt weit offen lassen“, sagt Beiersdorfer, „so dass immer nochmal etwas Neues hereinkommen kann.“ Das Studium hat er nicht nur beendet, sondern danach für die Unternehmensberatung KPMG gearbeitet. Und hätte er nicht im letzten Moment auf die Bremse getreten, wäre womöglich ein Steuer- oder Buchprüfer aus ihm geworden. „Aber dafür bin ich dann doch nicht der Typ“, sagt Beiersdorfer. Wenn schon etwas anderes machen, dann läge sein Interesse eher in einer Tätigkeit an der Universität. Auch das hat er bereits ausprobiert und auch die Promotion war schon in Arbeit. Die ersten hundert Seiten liegen fertig im Schrank.

Dann aber rief doch wieder der Fußball. Fast sieben Jahre dauerte seine erste Zeit als Sportchef beim Hamburger SV, von 2002 bis 2009. Danach lernte er im Ausland den Beruf auch noch aus anderen Perspektiven kennen. In Salzburg war er zwei Jahre für das Fußballgeschäft des Red Bull-Imperiums mit Profiteams in Salzburg, Leipzig und New York verantwortlich. Und erfuhr von Red Bull-Boss Dietrich Mateschitz, was es heißt, Tradition zu ignorieren und Vereine wie Marketingabteilungen zu führen. Er fand das interessant, einzelne Aspekte fließen heute in seine Arbeit ein, seine Welt aber war es nicht.

Später in St. Petersburg lernte er wieder eine andere Seite des Geschäftes kennen. In der hierarchischen Struktur des Vereins galt die Meinung der Klubbesitzer mehr als die Expertisen des Sportdirektors. Mehr als einmal verpflichtete der Klub Spieler, die weder auf der Vorschlagsliste des Sportdirektors noch auf der des Trainers standen. „Es hieß dann, man möchte gern, dass dieser oder jener Spieler im Verein spielt“, sagt Beiersdorfer. Die durchaus vorhandenen Reize der exotischen Stadt konnten deshalb die Grenzen des beruflichen Einflusses nicht lange wettmachen. Dass er gefrustet war von dem Job, klingt bei dem diplomatischen Beiersdorfer so: „Ich war bereit für etwas Neues.“ Das Neue war dann das Alte: sein HSV. Und der Job der des Vorstandsvorsitzenden. Beiersdorfer ist jetzt also ganz oben.

Das Spannungsfeld, in dem er sich bewegt, findet er reizvoll. Er möchte die Tradition des Vereins bewahren, ohne den Aufbau von innovativen Strukturen zu erdrücken. „Vergangenheit und Tradition spielen eine wichtige Rolle“, sagt Beiersdorfer. Viele Fans erzählen von ihren Vätern und Großvätern, die schon mit dem HSV gezittert haben. Beiersdorfer: „Das müssen wir ehren, aber wir dürfen uns auch nicht den Regeln der Zeit verschließen.“ Das Alte bewahren, etwas Neues schaffen – so könnte man die Aufgabe von Dietmar Beiersdorfer beim HSV zusammenfassen.
Es ist wahrlich kein leichter Job.

 

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Text: Andreas Eckhoff