Jeder hat die Möglichkeit, das Recht, aber auch die Pflicht, sein Leben bewusst zu gestalten. Matthias Wolk von der Stiftung WAS tun! diskutierte mit Dr. Carlo Strenger und dem Künstler Rocko Schamoni über die Werte der Freiheit.

Peter Richard Stoffel, der Geschäftsführer des Business Club, muss laut werden an diesem Diskussionsabend. Er fungiert bei der Veranstaltung auch als Platzanweiser: „Auf der linken Seiten sind noch drei Plätze frei.“

„Abenteuer Freiheit! Anregung zur Verteidigung unserer Werte“. Das Thema hat für Überfüllung gesorgt. Dazu haben auch die Gäste beigetragen, die Moderator Matthias Wolk vorstellt, der als Vorstand der Stiftung „Was tun!“ auch Gastgeber des Abends ist. Zu seiner Linken Dr. Carlo Strenger, Professor an der Universität in Tel Aviv und Autor eines leidenschaftlichen „Wegweisers für unsere Zeit“, der unter dem Titel „Abenteuer Freiheit“ veröffentlicht ist. Zur Rechten des Moderators Rocko Schamoni, Sänger, Schauspieler und Autor, der als Punk viele persönliche Freiheiten ausgekostet hat.
Zu seinem dritten Gast muss Moderator Matthias Wolk aufschauen. Über Skype von einem großen Bildschirm und mit kaputtem Knie auf dem Sofa zu Hause, lächelt Jan Josef Liefers in die Runde. Über ihn ist noch einmal zu sehen, was unvergessen bleibt. Der 19. November 1989, über eine halbe Million Menschen auf dem Alexanderplatz in Ostberlin. Am Mikrofon dieser dünne junge Mann, der den Noch-Machthabern der DDR entgegenschleuderte: „Wir wollen unser Leben und unser Schicksal in eine neue Bahn lenken.“ Für seinen mutigen Auftritt sei er damals auch kritisiert worden, sagt Jan Josef Liefers: „Weil ich ja ein völlig unbekannter Schauspieler, ein Niemand in der DDR war. Aber das ist die wichtigste Lehre meines Lebens: Wenn du den Mund nicht aufmachst, wenn du es dir nicht leisten kannst, wirst du ihn auch nicht aufmachen, wenn du es dir leisten kannst.“
Die Botschaft kommt an. Das zeigt der Beifall, der im Club aufbraust und lange anhält. „Dagegen hat die Jugend von heute doch überhaupt nichts mehr, für das sie kämpfen müsste“, wirft Rocko Schamoni ein.
„Das aber ist doch die größte Leistung unserer westlichen Demokratien, dass sie jedem die Freiheit lassen, sein Leben selbst zu gestalten“, entgegnet Professor Strenger. „Es wächst bereits die vierte Generation heran, für die Freiheit nur noch ein Konsumgut ist, das jedem zusteht. Dafür haben schon die Eltern, vor allem aber auch der Staat zu sorgen. Für so eine Selbstverständlichkeit muss man doch nicht kämpfen.“
Es ist ein Abend, eine Diskussion, die bei den Gästen in den vollbesetzten Stuhlreihen deutlichen Widerhall findet. Da ist viel Nachdenklichkeit in den Gesichtern. Jeder spürt doch, in unserer Welt läuft vieles aus dem Ruder. Glücklichsein ist sozusagen ein einklagbares Gut. Und jeder nimmt sich, was er will, und jeder glaubt, alles sei machbar. Am Ende aber wird diese Welt für unsere Kinder und Enkel nicht mehr lebenswert sein.
„Deshalb ist doch die entscheidende Frage“, sagt Rocko Schamoni, „was sind wir bereit, für unsere Freiheit aufzugeben, was für unsere hochgepriesenen Werte wirklich zu opfern?“
Professor Carlo Strenger wird noch einmal eindringlich: „Wir glauben, ein Grundrecht auf Glück und individuelle Freiheit zu haben. Aber das ist eine Illusion. Deshalb stecken wir voller Ängste. Wir müssen unsere Kinder wieder dazu erziehen, dass Freiheit keine Selbstverständlichkeit und kein Luxus ist. Jede Generation muss sich dieses wundervolle Abenteuer neu erkämpfen.“
Die Mitglieder der Stiftung Was tun!, die Gastgeber des lebhaftigen Diskussionsabends im Business Club, setzen sich daher für eine „gerechte demokratische Gesellschaft und nachhaltige Lebensweise“ ein.

 

look_m_boettcherFrank Böttcher
Wettermoderator
„Ich nehme viel mit von diesem Abend. Vor allem, dass wir achtsamer und sensibler auf die Gefahren reagieren müssen. Unsere Freiheiten werden ja meist in kleinen Schritten beschnitten. Das wird uns nicht bewusst. Wenn doch, wird uns klar, dass wir damals etwas hätten tun müssen. Ich habe hier begriffen: Das Damals ist jetzt.“

 

look_m_botheAndreas Bothe
Rechtsanwalt und Notar
„Ja, ich tue etwas zur Verteidigung unserer Werte. Ich bin Mitglied im Deutschen Anwaltsverein. Wir haben mit Mitstreitern in Berlin gegen den Test der Gesichtserkennung mit Überwachungskameras protestiert. Es geht den Staat einfach nichts an, wo ich hingehe und wo ich mich aufhalte. Dagegen werden wir weiter angehen.“

 

look_m_penseAnuschka Lichtenhahn-Pense
Vorstand „Was tun!“
„Wir dürfen Freiheit nicht für selbstverständlich halten. Das ist heute Abend doch sehr deutlich geworden. Und wir dürfen sie vor allem nicht dazu missbrauchen, dass sich jeder einfach nimmt, was er will. Wir müssen unseren Kindern eine Welt überlassen, in der es sich gut miteinander leben lässt.“

 

look_m_nottbeckVerena von Nottbeck
Organisationsberatung
„Freiheit ist eine Haltung, die uns von den Eltern mitgegeben wurde. Wir durften sie ja auch mit Hosianna begrüßen, als die DDR zusammenbrach. Für die heranwachsende Generation ist politische Freiheit eher ein abstrakter Begriff. Für die ist das größere Risiko die drohende Totalüberwachung im Internet. Das hat mit bei der Diskussion gefehlt.“

 

Text: Norbert Scheid Fotos: Martina van Kann