Gewürze waren der Stoff, aus dem die Träume sind. Die Träume der Fernhändler. Über Jahrhunderte waren insbesondere Nelken, Muskatnuss und natürlich Pfeffer die wichtigsten und lukrativsten Güter auf den Handelsrouten von Asien nach Europa. Die Gewinnspanne lag bei mehr als 1000 Prozent: Der Pfeffer, den man in Indien gegen Silber aufgewogen kaufte, war schon in den europäischen Hafenstädten so teuer wie Gold, also meist etwa das 13-Fache des Einkaufspreises. Sicher, die Reise war lang und beschwerlich, und längst nicht jeder Pfeffersack, der auf Kamelen oder Schiffen Richtung Europa transportiert wurde, kam auch tatsächlich dort an, aber – hey, wenn solcher Profit winkt, ist das ja wohl fast jedes Risiko wert.
Denn nicht nur die Preise, auch die Mengen waren gewaltig. Allein für das Jahr 1585 verzeichneten die Chroniken 25 000 Tonnen Pfeffer und 17 000 Tonnen Gewürznelken an indischen Exporten in das Abendland. 25 000 Tonnen Pfefferverbrauch in einem Jahr, das machte rein rechnerisch für jeden Einwohner des damaligen Europas etwa ein Pfund – eine gewaltige Menge, wenn man mit einrechnet, dass der größte Teil der Bevölkerung sich dieses Luxusgewürz nicht einmal grammweise leisten konnte. Aber die Zahl kann dennoch realistisch sein: Wie die schmalen Eliten in vielen der heutigen Entwicklungsländer leisteten sich auch die abendländischen Eliten des 16. Jahrhunderts einen demonstrativen Luxuskonsum, um dadurch ihren Status zu manifestieren. Ein Kochbuch aus der damaligen Zeit empfiehlt auf ein Kilo Hirschpenis ein Achtelpfund Pfeffer – kulinarisch der reinste Wahnsinn; aber darauf kam es offensichtlich nicht an.
Gewürze waren bekanntlich eines der wichtigsten Motive für Spanier und Portugiesen, sich im 15. Jahrhundert auf die Suche nach einem Seeweg nach Indien zu begeben. Weniger bekannt ist, wieso es dazu kam. Schließlich hatte in den Jahrhunderten zuvor der Handel über den Landweg via Seidenstraße doch auch ganz gut funktioniert. Aber das hörte Ende des 14. Jahrhunderts auf. Der aus dem zentralasiatischen Samarkand stammende Mongolenfürst Tamerlan hatte nämlich von 1382 bis in sein Todesjahr 1405 von Damaskus bis Delhi jede Stadt zerstört, derer er habhaft werden konnte. Außer Samarkand natürlich, in das er die erbeuteten Schätze ganz Zentralasiens brachte. Die Seidenstraße war damit faktisch zerstört, und zwar für mehrere Generationen. Also wurden neue Wege gebraucht – und 1418 begannen die Portugiesen unter Prinz Heinrich dem Seefahrer die erste Expedition an der Küste Afrikas Richtung Süden.
Für die Hamburger Kaufleute, denen ab dem 16. Jahrhundert der Unehrentitel „Pfeffersäcke“ angehängt wurde, stand aber ein anderes, weit profaneres Gewürz am Beginn ihres Aufstiegs: Salz. Denn das wurde ab Ende des 12. Jahrhunderts in großen Mengen auf der schwedischen Insel Gotland gebraucht. Vor der dortigen Küste zogen riesige Heringsschwärme umher, die den Fischern weit mehr Fang brachten, als die wenigen Inselbewohner verzehren konnten. In Deutschland hingegen gab es eine große Nachfrage nach Fisch – als Fastenspeise. Um die Fische in genießbarem Zustand auf die deutschen Märkte zu bringen, brauchte man Salz. Und das lieferten die Schiffe einer 1161 auf Gotland von deutschen Kaufleuten gegründeten Vereinigung – der Hanse. Salz aus Deutschland nach Gotland, gepökelter Fisch aus Gotland nach Deutschland, das war das Geschäft, das die Kauffahrer aus den Hansestädten reich und die Hanse mächtig machte. Man hätte die Hanseaten also ruhig „Salzsäcke“ nennen können.

 

Text: Detlef Gürtler
Detlef Gürtler ist Wirtschaftsjournalist und Buchautor. Er lebt in Berlin und im spanischen Marbella.