Schokolade und Süßes – bereits der Klang verheißt Glücksgefühle. SARAH MICHELMANN, Patissière des Business Club, zaubert den Mitgliedern und Gästen feine Gaumenfreuden.

Süße Leckereien: Schoko-Nuss- Küchlein mit Schokoladenbuttercremehaube und karamellisierter Walnuss und mit Himbeerbuttercreme, garniert mit Himbeeren.

Wie die Azteken Xocóatl ausgesprochen haben, wird wohl ein Geheimnis bleiben. Unser Wort Schokolade dagegen zergeht von allein auf der Zunge. Es klingt warm, samtig, cremig, aromatisch und schon der Klang verheißt Glück. Während die mexikanischen Ureinwohner jedoch eher „bitteres Wasser“, so die Übersetzung, herstellten, Kakao mit Vanille und scharfem Pfeffer in Wasser anrührten, denken sich moderne Menschen lieber zart schmelzende Köstlichkeiten aus. Auf jeden Fall ist Schokolade ein unverzichtbarer Bestandteil der süßen Küche geworden und Sarah Michelmann, weiß, was sie tut, wenn sie für die BCH-Mitglieder Desserts herstellt.

Die Patissière aus dem Team von Nils-Kim Porru schwärmt für Guanaja 70 Prozent von Valrhona, eine bittersüße Schokolade mit hohem Kakaoanteil, die aus dem „Tal der Rhone“ (Valrhona) stammt, von einem französischen Hersteller qualitativ hochwertiger Süßigkeiten. „Die kalte Jahreszeit ist genau richtig. Im Sommer mag man mehr Früchte, aber im Winter kann es gar nicht genug Schokolade sein.“ Die Guanaja eigne sich wunderbar zum Verarbeiten, sei nicht zu fett und nicht zu süß, schmelze sanft und kratze nicht im Hals, wie es bei anderen hochprozentigen Schokoladen schon mal vorkomme.

Für ihr Rezept der Schokoladen-Pralinen-Schnitte nimmt die Patissière aber auch noch eine 40-prozentige Schokolade, also mit geringerem Kakaoanteil, die sich besser eignet, um mit dem Éclat d’or, dem bröseligen Biskuitteig, vermengt zu werden. Auf den Boden aus Schoko-Pralinen-Teig kommt dann diese wundervolle Mischung aus dunkler Kuvertüre, Milch, Sahne und nur wenig Zucker, die man sonst aus Pralinenfüllungen kennt. Die weiche Masse muss gekühlt werden, um nicht zu zerfließen, kann dann gut zu Würfeln, Riegeln oder Rhomben geschnitten und als Begleitung zu fruchtigen Sorbets oder säuerlichem Eis gereicht werden. „Himbeere oder Passionsfrucht passt ideal“, sagt Michelmann, „auch farblich!“

Aber wo bekommt man diese schönen Zutaten? „Im Alsterhaus und im Frischeparadies. Da besteht die Chance, kleine Gebinde zu bekommen. Der Fachhandel hat nur große.“ Wenn Frau Michelmann allerdings noch von Schokoladen-Cheesecake, von den kleinen leckeren Keksen, die es im BCH zum Kaffee gibt, vom Malheur au Chocolat, dem Schokoladen-Unglück, berichtet, dann ist man schon versucht, nach größeren Gebinden Ausschau zu halten. Die könnte es bei Delta Feinkost am Schlachthof geben. Das „Unglück“ beim Schoko-Küchlein, das oft als Malheur au Chocolat in den Dessert-Spalten von Speisenkarten auftaucht, ist ein Kern aus flüssiger Schokolade. Die ergießt sich beim Anstechen mit der Gabel langsam, dunkel und glänzend aus der Mitte des Törtchens, als sei der Teig „unglücklicherweise“ nicht ganz durchgebacken. Dabei ist das pure Absicht.

Wenn nämlich der Kuchenteig aus Eiern, Zucker, Mehl, Milch, Kuvertüre und flüssiger Butter in feuerfeste Förmchen gefüllt ist, wird noch ein Stückchen Schokolade in die Mitte hineingedrückt. Nach 10 bis 15 Minuten bei 170 bis 180 Grad („Ausprobieren!“) im vorgeheizten Ofen ist die äußere Teighülle fest, das Innere noch leicht flüssig – und wartet auf dem Teller aufs dramatische Verströmen. Schon beim Gedanken daran bekommen manche Schoko-Fans ein Pfützchen auf der Zunge und der Appetit steigt. Also macht Schokolade glücklich! Ja, das tut sie, aber… Schokolade enthält allerlei, was wirkt. Tryptophan zum Beispiel, das die Bildung des Glückshormons Serotonin verursacht. Und Theobromin, einen Stimmungsaufheller. Phenylethylamin, ein Muntermacher, soll aphrodisierend wirken und Polyphenole, kreislaufanregende Bitterstoffe, die Leistung steigern. Es gibt als eine Menge Wirkstoffe in der Schokolade, die sich auf die Psyche auswirken.

Ärgerlicherweise ist die Konzentration der Stoffe jedoch so gering, dass sie sich nicht auswirken. Dennoch macht Schokolade glücklich. Forscher haben herausgefunden, dass das braune Gold der Azteken meist mit positiven Erinnerungen belegt ist. Man erinnert sich ans Naschen in der Kindheit, man schenkt sich Schokolade aus Zuneigung und schiebt sie sich gegenseitig zärtlich in den Mund oder man gönnt sich beim Arbeiten ein Stückchen, hat eine kleine Unterbrechung, und schon geht die Arbeit leicht weiter.

Vielleicht wussten das schon die Olmeken, Vorgänger der Azteken, von denen aber noch kein Wort für Schokolade überliefert ist. Sie und ihre Nachfahren nutzten Kakaobohnen, um Krieger zu stärken, um Trance bei Opferungen herbeizuführen, aber auch als Ausweis von Adel und Reichtum. So sollen Kakaobohnen als Zahlungsmittel gedient haben: 100 Bohnen für einen Sklaven.

Kolumbus brachte die Bohnen nach Europa, das aber erst sehr viel später etwas damit anfangen konnte, als es lernte, dem bitteren Kakao Honig und Zucker zuzusetzen. Erst im 18./19. Jahrhundert entdeckte man Kakao als Getränk, etwas später als feste Schokolade. Weil man wohl den Glauben der Azteken an Kräftigung auch im weiteren Sinn übernommen hatte, wurde Kakao in Apotheken verkauft. Erst die Erfindung industrieller Verfahren machte Schokolade für alle erschwinglich. Wie gut! Wie traurig wäre es doch, wenn wir uns die Zutaten zu Frau Michelmanns Schoko-Pralinen-Schnitte vom Munde absparen und in der Apotheke kaufen müssten.

 

Text: Gisela Reiners     Fotos: Martina van Kann

Gisela Reiners, früher Politikchefin bei der Tageszeitung „Die Welt“, schreibt heute als freie Autorin über ihre Leidenschaften Stil, Design und Kulinarik.