Ein Leben ohne italienische Küche ist möglich – aber sinnlos. Auch für Chefkoch NILS-KIM PORRU. Seine Liebe gehört den Produkten und jeder Form von Pasta.

Aber sicher kennen wir das Land, in dem die Zitronen blühen. Sollte es irgendjemand geschafft haben, noch nicht in Italien gewesen zu sein? Doch selbst wenn er noch keinen Fuß auf diesen wunderbaren Boden gesetzt haben, wenn es ihm gelungen sein sollte, weder italienischen Opern oder Schlagern, weder Mode noch Design zu verfallen – um die Küche Italiens wird er nicht herumgekommen sein. Was wäre das Leben ohne Pizza und Pasta, ohne Espresso und Grappa, ohne Parmesan und Parmaschinken, ohne Mozzarella und Mortadella, ohne Salami und Sugo, ohne Tartufo und Tiramisù? Arm! Sehr arm. Wenn Nils-Kim Porru, Chefkoch im Business Club Hamburg, sagt „Ich bin mit Pasta aufgewachsen“, dann fühlt man ein klein bisschen Neid aufsteigen. Sein Vater Ercole ist Italiener, die Mutter Deutsche. Papa Porru kam zum Arbeiten nach Hamburg, war sogar einmal als Pizzabäcker im „Dello Pub“ angestellt, dort wo heute die „L’Osteria“ von Dirk Block süchtig machende Pizza serviert. Porru sagt: „Die beste der Stadt.“ Er muss es wissen. Vermutlich verdankt er dem leckeren Teigfladen seine Existenz, denn seine Mutter war Gast im „Dello Pub“ und mochte irgendwann vom Pizzabäcker nicht mehr lassen.

„Die italienische Küche ist einfach“, sagt der Chefkoch und lächelt. Er weiß um die Produktverliebtheit der Italiener. „Da wird nicht außergewöhnlich gewürzt, sondern einfach das schöne Lebensmittel genossen.“ Und schon hat man den unvergleichlichen Duft in der Nase von frisch gekochter Tomatensoße (Porrus Vater ist Spezialist!), von hauchdünn geschnittenem Schinken, vielleicht auf einem Schnitz saftiger Melone, auf einer frisch gebackenen Pizza, als Beigabe zu gegrilltem grünem Spargel. Der Gedanke an Käse aus den verschiedenen Regionen, an die schönen festen Tomaten voller Aroma, die prallen Zitronen, an das Öl von goldgelb bis grasig-grün und die intensiv duftenden Kräuter wie Salbei, Basilikum oder Oregano, wilder Majoran, wecken Sehnsucht nach dem Geschmack des Südens.

„Die Produkte sprechen für sich“, sagt Nils-Kim Porru. Er vermisst sie. Der deutsche Norden produziert sie nicht, sie zu beschaffen ist nicht einfach und günstig ist es auch nicht. „Aber Ronald Schnapp vom Frischeparadies an der Großen Elbstraße kann helfen. Er besorgt mir manchmal leckere Originale, zum Beispiel einen halben Laib Parmesan, horizontal durchgeschnitten zum Aushöhlen, um die heiße Pasta darin durchzuschwenken.“ Porru hat zwei Jahre im Tessin gearbeitet, in der italienischen Schweiz. „Dort gab es Wahnsinnsprodukte – Gemüse, Pilze, Fische. Herrlich. Das gibt diese wunderbaren Antipasti.“ Schon beim Aufzählen wird der Mund wässrig. Gegrillte Zucchini, geschmorte Champignons, Auberginenscheiben, gegrillt und mariniert mit Rosmarin, Knoblauch und Thymian, Babyartischocken, gekocht, mariniert und mit Pecorino überbacken, zart panierte Zucchiniblüten. Jede Gegend hat ihre eigenen Spezialitäten, ihre besondere Wurst, ihren speziellen Käse. „Es wird bei Tisch auch viel übers Essen geredet, über die Zutaten und auch die Zubereitungen. Dabei reden auch immer die Männer mit. Das ist kein reines Frauenthema.“

Doch Porru ist Pasta-Fan. Er liebt die schmalen flachen Linguine, die flachen, aber leicht gewölbten Bavette, aber auch die kurzen gedrehten Fusilloni, die wie keine andere Sorte die Soße speichern. Diese Nudeln werden aus Hartweizengrieß hergestellt, doch für Tortellini und Ravioli nimmt Porru Weichweizenmehl. „Der Teig lässt sich dünner ausrollen.“ Hinein kommen leckere Füllungen aus Ricotta und Spinat oder – aufwändiger! – mit in rotem Portwein geschmorter Ochsenbacke. Dazu gibt es Selleriepüree und Trüffeljus (siehe Rezept). Die italienische Küche ist also eine einfache insofern, als die Produkte im Vordergrund stehen und möglichst naturbelassen verarbeitet werden. Das heißt aber nicht, dass man sich mit der Zubereitung keine Mühe macht. Man denke nur an die Diskussionen darüber, wie „al dente“ wirklich „al dente“ ist oder wie cremig/flüssig ein Risotto sein soll. Doch so viel Mühe man sich macht beim Zubereiten von Fisch, beim Aromatisieren mit Trüffeln oder frischen Kräutern, beim Fleisch hört’s auf. „Die Italiener braten alles durch.“ Ein Steak, medium to rare gebraten, ist verdächtig. Lieber wickelt man noch Schinken ums Kalbsschnitzelchen beim Saltimbocca, um den Saft zu halten. Aber Fleisch ist nicht das große Thema der italienischen Küche, das Gemüse ist es, die Kräuter, Pilze, Öle, Käse, Fische und Süßspeisen. Die haben eine Tradition, die bis ins Mittelalter zurückreicht.

Wer kann am Ende einer Mahlzeit Tiramisù widerstehen, auch wenn eigentlich nichts mehr geht? Oder einer Panna cotta, gekochter Sahne mit ein wenig Gelatine und frischen Früchten als Beigabe? Ein Gelato, ein Eis, geht immer. Stracciatella mit Schoko-Stückchen? Amarena mit in Sirup eingelegten Kirschen? Oder Fior di Latte aus Sahne, Mascarpone und Zucker? Darauf einen Caffé. So heißt der kleine Schwarze, den wir Espresso nennen. Was würden wir nur essen und trinken, wenn wir die italienische Küche nicht hätten?

 

Text: Gisela Reiners     Fotos: Martina van Kann

Gisela Reiners, früher Politikchefin bei der Tageszeitung „Die Welt“, schreibt heute als freie Autorin über ihre Leidenschaften Stil, Design und Kulinarik.