Eine Marke erfindet sich neu. Weil das beliebteste Hamburger Bier über die Jahre Image-Staub angesetzt hatte, präsentiert sich Holsten in diesem Frühjahr frischer und cooler. club! beschreibt exklusiv die Entwicklung zum neuen Outfit – ein Paradebeispiel für gelungene Markenführung.

Der Herr der Marken: Clubmitglied Holger Liekefett ist Geschäftsführer Marketing bei Carlsberg.

Es war an der Zeit – und sie wurde genutzt. Das Frühjahr kommt und sieht die Hamburger Traditions-Biermarke Holsten aus dem Hause Carlsberg in neuem Outfit: frischer, moderner, eigenwilliger. Nicht mehr ein ovales Etikett klebt auf der Flasche, sondern eins in der Form des Schildes, den der Holsten-Ritter auf seinem springenden Ross mit der Linken hält. Das elegante Gold ist knackigem Silber gewichen, sowohl am Rand des Etiketts als auch am Kronenkorken, und das Weiß des Hintergrunds wurde abgelöst von kräftigem Grün in einer feinen Carbonstruktur, die in einem Muster schimmert, das leicht waffelartig wirkt. Ein klares Design für ein beliebtes Bier.

Vor 18 Jahren war das Aussehen der Holsten-Flasche zuletzt verändert worden, sagt Marketing-Chef Holger Liekefett. Das Bier war enorm erfolgreich, verteidigte über Jahre seinen Spitzenplatz im Norden, brachte feine Ergebnisse im Export. Doch irgendwann lahmten die Zuwächse und es wurde klar, dass etwas passieren musste. Studien ergaben, dass das Image des Erfolgs- Biers ein wenig Staub angesetzt hatte. „Unsexy, muffig, tradiert“ waren nach Angaben von Liekefett noch die nettesten Ausdrücke, die den Befragten zum Erscheinungsbild von Holsten einfielen. „Das war für uns schmerzvoll“, gesteht der Marketing-Mann. Liekefett berichtet von einem Freund, der gestand, den Geschmack nach wie vor zu mögen, aber doch lieber den Kasten einer anderen Biermarke mitzunehmen, wenn er zu einer Grillparty eingeladen wurde. Da wollte er gern ein bisschen flotter auftreten, als es ihm das gute alte Holsten gestattet hätte. „Am Geschmack lag es also nicht“, sagt Liekefett und gibt zu, beruhigt gewesen zu sein. Also wurde einmal andersherum gefragt: Was wird denn an Holsten so geschätzt? Frisch sei es und lecker, lauteten die Antworten.

Leicht herb, mit Charakter, der Ritter stehe für Herkunft und Tugend. Es sei nicht so weich gespült wie andere Biere, nicht abgefeilt, nicht angepasst. „Eine gute Aussage“, fand Liekefett. Aus den Erkenntnissen mussten nun noch die richtigen Schlussfolgerungen gezogen werden. Anders als vielleicht mancher denkt, wird Bier nicht nur getrunken, weil es so schön zischt, gut schmeckt und leicht und zu einem vernünftigen Preis zu bekommen ist. Bier ist wie Zigaretten und Autos auch ein emotionales Produkt. Mit der Wahl der Marke will der Konsument auch ein Statement darüber abgeben, wie er sich fühlt und sieht. Vielleicht als Mann für Freiheit und Abenteuer mit dem richtigen Glimmstengel? Als schneidiger Fahrer mit dem angesagten Auto? Oder eben als cooler Typ mit dem richtigen Bier? „Kaum jemand wird zugeben, warum er sich für die eine oder andere Marke entscheidet“, so Liekefett. „Jeder wird rationale Gründe anführen, aber er folgt seinem Gefühl.“

Hier wurde nun eine weitere kleine Schwäche von Holsten offenbar: Die unklare Abgrenzung zu Aussagen der Konkurrenz. „Auf die Freundschaft“ hieß es da in der Werbung oder „Für uns, Männer.“ „Das war zu wenig differenziert“, so Liekefett. Außerdem schloss es Frauen als Holsten-Trinkerinnen von vornherein aus. Da nun einerseits das etwas in die Jahre gekommene Erscheinungsbild aufgefrischt werden und auch die Kommunikation auf einen moderneren Stand gebracht werden sollte, entschloss man sich bei Holsten zu einem mutigen Schritt und begann beides zu überarbeiten.

„Da es um ein Hamburger Bier ging, entschlossen wir uns mit Philipp und Keuntje auch für eine Hamburger Agentur und mit Anatol Kotte für einen Hamburger Fotografen.“ Herausgekommen ist das neue Etikett mit Ross und Reiter, Schwert und einem Schild, auf dem ein großes H auf rotem Untergrund prangt. Durch die Carbonstruktur leuchtet das Grün des Umfelds besonders frisch und bringt das Rot des Schildes geradezu zum Strahlen. Passend dazu gibt es auch einen neuen Claim, der die Erkenntnisse aus den Befragungen zusammenfasst. Aus den Schlagworten „Charakter“, „ritterliche Tugend“ und „unangepasst“ destillierte die Agentur den Slogan: „Ecken. Kanten. Holsten.“ Begleitet wird er künftig in der Werbung von Sprüchen eines leicht verstrubbelten Typs, der in Schwarz und Weiß statt in Farbe seine Meinung vertritt: „Macht ihr mal eure Work-Life-Balance, Ich mach Feierabend.“ Natürlich tritt der Mann nicht im korrekten Dreiteiler auf, sondern sympathisch mit Bart, Strickmütze, hoch geschlagenem Kragen oder Lederjacke.

„Keine Ahnung, wo der Trend hingeht. Ich geh ins Stadion“ heißt ein weiterer Spruch. Er signalisiert Unabhängigkeit und Eigensinn mit positivem Vorzeichen. „Der Typ steht für sich selbst“, freut sich Liekefett. „Er ist ein bisschen rau, aber liebenswert.“ Dass es mal eine Werbung mit einer Frau und ihrem Statement geben könnte, will er nicht ausschließen. Allerdings sei der Anteil von Frauen, die Bier trinken, vergleichsweise klein.

Frank Maßen, Deutschland-Chef der fünftgrößten Brauerei der Welt, hat das neue Outfit in der Handelskammer vor 500 geladenen Gästen vorgestellt. Darunter war Uwe Seeler, dessen HSV Holsten seit vielen Jahren eng verbunden ist. Die Fußball-Legende verglich das neue Motto mit der Bundesliga: „Es sind doch gerade die Ecken und Kanten, die Fußballer besonders machen. Ich sehe immer mehr Spieler, die glatt geschliffen und austauschbar sind.“ über solche Worte kann sich Marketing-Chef Liekefett nur freuen. Doch mindestens ebenso viel Gewicht hat für ihn eine Nachricht, die ihm ein paar Abfüller aus der Brauerei geschickt haben. Sie kannten durch Testläufe schon früh das neue Konzept. „Wir sind stolz!“ stand da. „Wir glauben an die Marke.“ Die gibt es immerhin schon seit 1879 und sie hat – mit allen Ecken und Kanten – gute Chancen auf eine glänzende Zukunft.

Text: Gisela Reiners