Business Club Chefkoch Nils-Kim Porru und Volker Reimers, Geschäftsführer des Auswanderermuseums, trafen sich in der BALLINSTADT zum gemeinsamen Grünkohlkochen.

Mit etwas Grünem hat Küchenchef Nils-Kim Porru ins Schwarze getroffen. Zum Termin mit Volker Reimers, dem Geschäftsführer des Auswanderermuseums BallinStadt auf der Veddel brachte er etwas Deftiges zum Essen mit: Grünkohl. Damit hatte er nicht nur per Zufall dem Gastgeber sein Leibgericht gekocht, sondern auch den Bogen geschlagen zum Thema des Museums: Durch die Auswanderer kam der Grünkohl nach Übersee, vor allem in die USA. Und dort ist das Superfood im besten Wortsinn in aller Munde. Doch während er dort am liebsten roh verspeist wird, als Salat oder im Smoothie, bevorzugen Reimers wie Porru die herzhafte Variante.
Ein köstlicher Duft breitet sich aus in der Küche des Museumsrestaurants mit dem schönen Namen „Nach Amerika“. Auf den Grünkohl legt Porru ein seidiges Stück Schweinebacke, das er zuvor gekocht hat, um in dessen Sud den Grünkohl zu garen. Hat er den selbst gekocht? „Nein. Der frische ist mir ein bisschen zu bitter. Ich nehme ihn aus der Dose, aber nur von Lüders. Das ist der beste.“ Auf dem Kohl werden später Kochund Grützwurst („Nur von Schlachter Wagner aus Eimsbüttel!“) erhitzt. Die Kartöffelchen dazu werden in Butter, Rosmarin und Honig geröstet. „Das gibt den besonderen Pfiff.“ Ordentlich Senf dazu – fehlt jetzt nur noch ein Bier. Doch hier wird nicht zugelangt! Die Fotografin muss um ihr Motiv kämpfen. Reichlich glänzende Augen verfolgen sie bei der Arbeit.
„Ich wollte etwas Einfaches, das zur Umgebung passt ebenso wie in die Jahreszeit“, erklärt Porru seine Auswahl. Und hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Auswanderer, die in Hamburg aufs Schiff gingen, um in eine ungewisse, aber als glücklich erhoffte Zukunft zu reisen, mussten anfänglich für die Fahrt ihre Verpflegung selbst mitbringen. Kohl war billig, vor allem Grünkohl im Winter, wenn es nichts anderes gab. Er sättigte und war eine große Hilfe, um in den vier bis sechs Wochen, die eine Überfahrt in die Neue Welt dauern konnte, gesund zu bleiben. Seit der Antike ist bekannt, dass Grünkohl viele Stoffe enthält, die zum Überleben wichtig sind.
Grünkohl ist protein-, eisen- und calciumhaltig und darüber hinaus Träger der Vitamine C und K (notwendig für die Blutgerinnung und die Verhinderung von Osteoporose). Da das Vitamin K fettlöslich ist, ist es nicht falsch, den Kohl mit fetthaltiger Wurst zu essen oder mit Schmalz und Speck zuzubereiten. Wenn Museumsdirektor Reimers und der Koch dieser Köstlichkeit also vergnügt und voller Appetit auf die deftigen Zutaten schauen, ist das keine Völlerei, sondern geradezu gesund.
So gemütlich wie auf dem Foto dürfte es an Bord der Segler voller Auswanderer kaum zugegangen sein. Die Reeder entdeckten langsam das Geschäft mit den Menschen, die ihre Heimat oft aus blanker Not, manchmal auch aus Abenteuerlust verließen. Sie stopften sie in drangvolle Enge in Zwischendecks zwischen Oberdeck und Laderaum, wo sie in hölzernen Kojen auf Stroh liegen konnten. Je weiter oben die Unterbringung, desto teurer die Überfahrt. „Passagiere“ hießen in den Schiffspapieren die Reisenden der 1., 2. und 3. Klasse, der Rest nur noch „Personen“.
Die Anreisenden der 1. Klasse logierten bis zur Abfahrt in Hamburger Hotels, das „Atlantic“ wurde extra für sie gebaut. Die anderen konnten später, nachdem Hapag-Gründer Albert Ballin das Auswanderergeschäft durchorganisiert hatte, in Hotels in der Nähe der Auswandererhallen übernachten. Für die übrigen gab es Stockbetten in Schlafsälen, aber auch Krankenstationen, Räume für medizinische Untersuchungen und Speisesäle.
Das war dann schon die elegantere Variante. Vor den 1890er Jahren ging es deutlich primitiver zu. Erst als die Cholera von osteuropäischen Einwanderern mitgebracht wurde, änderten sich die Verhältnisse. Auf der Veddel wurden Hallen gebaut für tausende Menschen. Sie wurden medizinisch untersucht, sonst durften sie nicht reisen. Sie wurden verpflegt und untergebracht bis zur Abfahrt ihrer Schiffe. Bremerhaven hatte vorgemacht, dass sich mit diesen Menschen Geld verdienen ließ. So segelten die Schiffe mit Menschenfracht über den Ozean, dann wurde die hölzerne Einrichtung, wie Kojen und Tische, abgebaut und Fracht mit zurückgenommen. Von 1820 bis 1934 wanderten über Hamburg etwa 4,4 Millionen Menschen aus, bis heute sind es sieben Millionen.
Die BallinStadt ist ein besonderes Museum unter den anderen Häusern Hamburgs. Es wurde zwar mit Mitteln der Stadt und von Sponsoren hergerichtet, wird aber betrieben – ohne Zuschüsse! – von einer privaten Gesellschaft, die sich im Besitz von Volker Reimers und einem Partner befindet. Praktischerweise ist seine Ehefrau die Leiterin von „Nach Amerika“, so dass es im Winter kein Problem ist, an leckere Grünkohlgerichte zu kommen. „Früher hat meine Mutter ihn gekocht, mit Kohlwurst, Kasseler, Schweinebacke, Brat- und süßen Röstkartoffeln.“ Da schwelgt jemand in Erinnerungen.
Doch Reimers, vor 49 Jahren geboren in Grömitz, kocht auch selbst, „und zwar oft“. Allerdings mag er es ein bisschen raffinierter: „Lammcarrée in der Pinienkernkruste mit Rosmarin und Ofengemüse“. Beruflich war der Betriebswirt häufig in der Gastronomie tätig, als Unternehmensberater, zeitweise auch als Betreiber von Restaurants und Cafés, solange bis die Betriebe übergeben werden konnten. Erstmals als Berater an eine Ausstellung kam Reimers in Potsdam, wo 2001 die „Biosphäre“ eröffnete, ein Tropenhaus mit 20 000 Pflanzen und Tieren. 2007 stießen er und sein Partner auf die Ausschreibung Hamburgs für ein Konzept für das Auswanderermuseum. Sie bekamen den Zuschlag und nach drei Jahren Vorarbeit öffnete 2007 die „BallinStadt“, wie sie sich selbst nennt. Von Anbeginn war das Unternehmen rentabel. „Der Vertrag lief auf zehn Jahre. 2014 schon wurde der Vertrag um weitere zehn Jahre verlängert.“ Reimers versteht offensichtlich nicht nur etwas vom Essen.

Volker Reimers
1968 in Grömitz geboren, stammt Reimers aus einer Hoteliersfamilie. Nach dem Betriebswirtschaftsstudium in Lübeck arbeitete er als Inhaber von Restaurants und Cafés, als Hoteldirektor und geschäftsführender Gesellschafter, später als Berater für Unternehmen der Tourismus- und Freizeitbranche. Mit seinem Partner Jens Nitschke gründete er 2004 die „leisureworkgroup GmbH – Atelier für Szenographie und Ausstellungsentwicklung“. Zusammen mit 13 internationalen Bewerbern konkurrierte seine Gesellschaft um den Auftrag für eine von der Stadt Hamburg ausgeschriebene Konzeption für ein Auswanderermuseum. Heute ist er dessen Geschäftsführer.

 

Text: Gisela Reiners Fotos: Martina van Kann