Es muss nicht ständig Latte Macchiato oder Espresso sein. Die Deutschen haben wieder Lust auf puren Kaffeegenuss. Auch deshalb entstehen in der Hansestadt immer mehr kleine, aber feine Röstereien.

Jean Paul hat es gesagt: „Außer der Philosophie weiß ich kein so gutes Treibmittel des Gehirns als höchstens Schach und Kaffee.“ Von dieser Erkenntnis leben Hamburger Kaffeehändler recht gut und das schon seit Beginn des 17. Jahrhunderts. Damals wurde der erste Kaffee angelandet, aus dem dieses köstlich duftende, aromatische, Geist wie Körper belebende Getränk hergestellt wird, das die Welt immer noch begeistert. Mittlerweile haben die Bohnen Hamburg zur Drehscheibe des Kaffeehandels in Europa gemacht. Für Reeder und Röster, Händler und Makler, Lagerhalter und Packer ist Kaffee Gegenstand ihrer Geschäfte, zum Teil schon seit Generationen. In Hamburg entstanden große Marken. Geniale Köpfe wie Max Herz erfanden Tchibo, Eduard Schopf gründete Eduscho zwar in Bremen, doch gehört die Marke heute zu Tchibo. Bernhard Rothfos mischte die Branche auf durch neuartige Lagerhaltung und Veredlung, und J. J. Darbovens Idee Kaffee war ebenfalls eine großartige Innovation. Er nahm den Frauen das mühselige Rösten in schweren Pfannen ab und füllte den Kaffee fertig abgewogen in Tüten.

Auch Anfang der 90er Jahre war Darboven Vorreiter: Als eine der Ersten bot die Firma fair gehandelten Kaffee deutschlandweit an. Dabei geht es um die Unterstützung von Kleinbauern vor allem in Lateinamerika, deren Erzeugnisse zu fairen Preisen gekauft werden, um ihnen einen angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen. „Soziale und ökologische Verantwortung ist ein wichtiger Bestandteil unserer Unternehmensphilosophie“, sagt dazu Firmenchef Albert Darboven, in Hamburg auch gern als „Kaffeekönig“ tituliert. „Schon seit 1993 bieten wir mit Café Intención fair gehandelten Kaffee an. Ein eisiger Wind von Seiten der Industrie wehte uns damals entgegen.

Doch wir waren von Anfang an voller Leidenschaft und Überzeugung dabei. Heute haben wir ein großes Sortiment an fair gehandelten Produkten und bauen es stetig aus.“ Da versteht es sich fast von selbst, dass der Business Club Hamburg Café Intención ausschenkt. Kaffee ist der Deutschen liebstes Getränk, noch vor Bier und Wasser.

Kaffee ist in Deutschland das beliebteste Getränk:
Jeder Deutsche trinkt rund 15o Liter pro Jahr.

Rund 150 Liter schütten sie jährlich in sich hinein, zu Hause, im Büro, unterwegs und gern auch „to go“. Um die Menge herzustellen, kaufen sie 6,5 Kilo pro Jahr, werden allerdings von den Finnen, den Weltmeistern im Kaffeetrinken, mit elf Kilo klar geschlagen. Obwohl Tee deutlich an Beliebtheit gewinnt, schlürfen die Deutschen davon nur etwa 26 Liter pro Jahr. Durch das Verpacken von gerösteten Bohnen oder gemahlenem Kaffee in aromasichere Tüten verschwanden allmählich all die kleinen Röstereien, von denen es früher in jeder Einkaufsstraße mindestens eine gab. Anfang der 60er Jahre soll es noch etwa 300 in Hamburg gegeben haben.

Eine trotzte wie die tapferen Gallier der Entwicklung: Die Rösterei Burg am Eppendorfer Weg. Jens Burg führt das Geschäft nun schon in vierter Generation und hat seinem Laden inzwischen ein hübsches Museum angegliedert. Doch in den letzten Jahren bekommt er Gesellschaft. Kleine Röstereien tun sich überall in der Stadt auf, verkaufen das schöne dunkelbraune Heißgetränk im eigenen Laden, manchmal als Mischung, manchmal aber auch sortenrein. Und wenn sich die Rösttrommel dreht, duftet es wie früher in der ganzen Straße köstlich und Appetit anregend nach Kaffee. Etwa 15 dieser kleinen Betriebe gibt es inzwischen wieder – und sicher ist die Zahl nicht vollständig. Denn überall scheint nach den ganzen aromatisierten Kaffees mit Vanille-, Macadamia-, Karamell-, Banane- Amaretto- oder gar Zimtgeschmack die Lust am puren Kaffee wieder zuzunehmen.

Kleine Röstereien sind im Trend, denn die Nachfrage
nach exquisiten Sorten nimmt stetig zu.

Jedenfalls steigt die Nachfrage nach sortenreinem Antigua aus Guatemala (Rösterei „Elbgold“ in der Schanze neben Tim Mälzers „Bullerei“), nach Yirgacheffe aus Äthiopien („Carroux“ in Blankenese), Kenia Blue Mountain („Die Rösterei“ im Levan-tehaus an der Mönckebergstraße) oder Maragogype aus dem Hochland von Mexiko (Rösterei „Timm“ am Sachsentor in Bergedorf).

Bei „Coffee unlimited“ in Hammerbrook gibt es neben Sorten wie Indian Monsooned Malabar auch eine eigene Mischung (Blend). Für die Mixtur aus Hochlandkaffees aus Lateinamerika, Asien und Afrika haben sich die Schöpfer den schönen Namen „Hammerbrooklyn“ ausgedacht. Humor scheint der Kaffee auch zu fördern. Regelrecht zu einer Touristenattraktion hat sich die Speicherstadt- Rösterei an Kehrwieder 5 entwickelt. Doch das Gedränge im Gastraum während der Röstzeiten darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier Kenner am Werk sind, die ihre sorgsam ausgewählten und feinfühlig behandelten Kaffeespezialitäten zwar vor Ort und im Online-Shop verkaufen, aber auch Groß- und Einzelhändler beliefern. Sie führen Kaffees zum Beispiel aus Kolumbien, die nicht nur sortenrein sind, sondern sogar nur von bestimmten Plantagen stammen. Kaffee hat seine Trinker immer beflügelt. Von Franz Kafka ist überliefert, dass er gesagt hat: „Kaffee dehydriert den Körper nicht. Ich wäre sonst schon Staub.“ Natürlich ist im Übermaß genossener Kaffee der Gesundheit nicht immer förderlich, aber wer macht das schon? „Kaffeekönig“ Albert Darboven jedenfalls findet Kaffee nur schädlich, „wenn einem ein Sack voll aus dem 5. Stock auf den Kopf fällt“.

Text: Gisela Reiners

Gisela Reiners, früher Politikchefin bei der Tageszeitung „Die Welt“, schreibt heute als freie Autorin über ihre Leidenschaften Stil, Design und Kulinarik.