Das Programm SeitenWechsel der Patriotischen Gesellschaft ermöglicht ein Management- und Persönlichkeitstraining der besonderen Art: Führungskräfte aus der Wirtschaft werden eine Woche lang zu Praktikanten der Sozialarbeit.

Randvoll mit Eindrücken kam Andreas Mansfeld nach jedem dieser besonderen Arbeitstage nach Hause. In den Stunden zuvor hatte er viele Gespräche geführt. Er hatte zugehört, Beistand geleistet und nicht selten die Rolle des Seelsorgers eingenommen. Es waren nicht Kunden oder Kollegen von der HASPA, denen er begegnet ist, sondern Obdachlose, Arme, Hilfsbedürftige. Auch war der Leiter des Firmenkundengeschäfts nicht wie gewohnt als Führungskraft im Einsatz, sondern als Praktikant. Sein Arbeitsplatz: die Bahnhofsmission am Hauptbahnhof.
„SeitenWechsel“ heißt das Programm, das Andreas Mansfeld eine Woche lang absolvierte – ein Managementtraining der anderen Art. Das Konzept: „Führungskräfte aus der Wirtschaft verlassen ihre gewohnte Rolle und werden zu Praktikanten der Sozialarbeit“, erklärt Programmleiterin Doris Tito. „Es ist ein Persönlichkeitstraining, bei dem wir Menschen ermuntern, sich einem Bereich zu widmen, der ihnen fremd ist.“
Die Idee für den „SeitenWechsel“ stammt ursprünglich aus der Schweiz. Seit 16 Jahren wird er auch in Deutschland und in Hamburg von der Patriotischen Gesellschaft angeboten, einem gemeinnützigen Verein, der sich seit mehr als 250 Jahren „für das Gemeinwohl in der Stadt Hamburg einsetzt“. Rund 1900 Führungskräfte haben mit Hilfe von Doris Tito und Stellvertreterin Elke Münchow sowie den bundesweiten Kooperationspartnern bereits „ihre Komfortzone verlassen“ und sind auf „Menschen in schwierigen Lebenslagen“ getroffen. „Wir sind Vermittler zwischen den Welten“, sagt Elke Münchow. Ziel ist es, „sich mit einem sozialen Thema auseinanderzusetzen, soziale Kompetenzen zu verbessern und mit einem anderen Bewusstsein zurückzukehren“. Insgesamt arbeitet die Patriotische Gesellschaft in Hamburg mit 70 sozialen Einrichtungen zusammen – von der psychiatrischen Klinik, über Obdachlosenunterkünfte bis hin zu Hospizen. Die Kosten betragen 2300 Euro. Davon gehen 700 Euro an die soziale Einrichtung, die ebenfalls von dem Programm profitiert: „Für uns sind Seitenwechsler wichtige Impulse von außen“, sagt Axel Mangat, Leiter der Bahnhofsmission und für eine Woche Chef von Andreas Mansfeld. Bei der sogenannten Marktbörse, der Auftaktveranstaltung vor jedem SeitenWechsel, bei der sich die verschiedenen Einrichtungen präsentieren, trafen die beiden Männer erstmals aufeinander.
„Ich habe mich bewusst für das Leben auf der Straße entschieden“, sagt Andreas Mansfeld. „Das ist die Welt neben meiner Welt und ich gehe jeden Tag durch sie durch, ohne sie wahrzunehmen.“ Als sein Arbeitgeber ihm eine Teilnahme am SeitenWechsel anbot, war er gleich angetan: „Man ist in seinem Luxusleben ja sehr eingefahren unterwegs“, sagt er. „Ich wollte einmal eine andere Welt erleben.“ Und wie bei Praktikanten üblich, durchlief der Manager verschiedene Stationen seiner temporären Arbeitsstelle. Er fuhr mit dem Krankenmobil durch die Stadt, erlebte, wie viele Obdachlose das Angebot an kostenloser Zahn- oder Arztbehandlung wahrnahmen. Sogar nachts war er im Einsatz. Mit dem Mitternachtsbus sammelte er übrig gebliebene Backwaren von Bäckern ein und verteilte Brot, Kaffee und Decken an die Bedürftigen in der Stadt. „Ich war erstaunt, wie viele Obdachlose es tatsächlich gibt, die man auf den ersten Blick gar nicht als solche erkennt“, sagt Mansfeld.
Ein Ereignis ist ihm besonders in Erinnerung geblieben. Als er draußen auf einer Bank Pause machte, setzten sich zwei Obdachlose neben ihn. Das Ehepaar hatte ihn aus der Bahnhofsmission wiedererkannt. Im ersten Moment war Mansfeld irritiert, aber dann entwickelte sich ein ganz normales Gespräch. „Sie waren einfach sehr interessiert an meinem Leben“, erzählt er.
Nach einer Woche Sozialarbeit hat sich Andreas Mansfeld verändert. „Man ist danach kein neuer Mensch, aber man entwickelt eine größere Sensibilität für die Mitmenschen“, sagt er. Und diese Fähigkeit kann er auch in der Sparkasse gut gebrauchen.

 

so können clubmitglieder teilnehmen
Wenn Sie Interesse an einem Seitenwechsel haben, nehmen Sie Kontakt auf:
Patriotische Gesellschaft Doris Tito und Elke Münchow
Trostbrücke 4–6
20457 Hamburg

Tel: +49 30 70 90 50-15
seitenwechsel@patriotische-gesellschaft.de
www.seitenwechsel.com

 

Text: Nina Schwarz Fotos: Martina van Kann